Meins!
Sharing is caring? Kommt drauf an, findet Kolumnistin Maria. Irgendwo hört’s auf – für sie beim Trend „Sharing Plates“.
Sharing is caring? Kommt drauf an, findet Kolumnistin Maria. Irgendwo hört’s auf – für sie beim Trend „Sharing Plates“.
... stammt aus einer nicht sehr großen Stadt, lebt aber schon seit einer Weile in der Großstadt – zwischen Gemüsehändlern, Trinkhallen und internationalen Restaurants. Sie liebt kulinarische und kulturelle Vielfalt, probiert gerne Neues, mag aber auch ein Stückchen Tradition. Sie findet: Unabhängige Unternehmer machen Heimat zu dem, was sie ist. Auf MPULSE schreibt sie über ihre Beobachtungen und Gedanken und fragt auch mal Branchen-Experten nach den ihren.
Sharing is caring. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Und Liebe ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt. Alles schön und gut. Aber irgendwo hört’s auf – beim Essen nämlich. Für mich jedenfalls. Ich stehe dazu: Beim Frühstück, Mittagstisch und Abendbrot habe ich meinen Teller gerne für mich. Eine unpopuläre Haltung, entspricht sie doch so gar nicht dem Gastro-Trend „Sharing Plates“, wie ihn etwa MPULSE Kolumnist Max Strohe feiert . Wer’s noch nicht kennt: viele verschiedene Gerichte, die alle Gäste am Tisch gemeinsam vertilgen.
Sich aus jeglichen Portionen, Vorspeisen, Hauptgericht und Beilagen bedienen – es sei Max und allen teilwilligen Typen gegönnt! Aus vollem Teller, äh, Herzen. Was mich aufregt, sind Menschen wie meine Mutter. Schon wenn wir klassisch essen gehen, sieht das so aus: Kaum hat der Service im Restaurant die Gerichte vor den jeweiligen (!) Gästen platziert, die diese bestellt haben (!!), wandert Mutters Gabel forsch über die Tellerränder. „Ach, das sieht ja toll aus. Darf ich mal probieren?“, heißt es, noch ehe ich selbst einen Bissen gekostet habe. Und bevor ich die eher hypothetische Frage beantworten kann, tönt es schwuppdiwupp aus Mutters Mund: „Mhm, lecker!“ Meinen Bruder ereilt das gleiche Schicksal. Weshalb er oft schon, wenn der Kellner nur in Sichtweite gerät, einen mahnenden Blick in Richtung Mutti wirft. Zwecklos. Die Unsitte ist ihr nicht mehr auszutreiben. Ebenso wenig übrigens die Angewohnheit der Grand Dame, bei der Speisenauswahl jeden am Tisch nach seinem Wunsch auszuhorchen – und dann bei der Bedienung die Bestellungen für alle in der Runde unisono zu platzieren. Vermutlich liegt dort also die Ursache meiner Abneigung gegenüber „Sharing Plates“. Und ganz abgesehen von dieser etwas küchenpsychologischen Herleitung (hey, das ist hier ja auch eine Küchen-Kolumne 😉): Spätestens seit Corona werden Türklinken und Touchpads allerorts nur noch mit Ärmeln und Widerwillen berührt – doch auf Tellern stochert man sich gerne gegenseitig mit der besabberten Gabel rum? Nun ja.
Der einzige Vorteil, den ich der gemeinschaftlichen Speiseform nicht absprechen kann: Jeder kommt in den Genuss einer Vielzahl an Geschmäckern und Texturen, im Gegensatz zu bloß einem einzigen Gericht. Nur, auch da stellt sich die Frage: Woher rührt diese Entscheidungsunwilligkeit? Muss es immer von allem etwas sein? Kann sich denn keiner mehr festlegen? Es ist doch so: Wenn ich heute Schnitzel essen gehe – und zwar nur Schnitzel. Dann habe ich morgen Lust auf Pasta. Oder Sushi. Oder eine Poke-Bowl. So kann Festlegung (für heute) also auch Vielfalt erzeugen (für morgen und übermorgen und nächste Woche).
Immerhin, schon 2014 kam eine Studie der Universität Antwerpen zu dem Schluss, es mache uns zu besseren Menschen, unser Essen zu teilen. Also, wer die neue Teilkultur mag (die übrigens gar nicht so neu ist, wie wir hier erklären), go for it! Nur halt nicht mit mir. Für alle aber, die keinen Wert auf den ersten eigenen Happs legen, hätte ich einen Kontakt auf Kurzwahl: „Ja, ich bin’s. Hallo, Mama…?“