Welt retten mit Teigtaschen

Ann-Kathrin Wohlrab und Mauritz Schröder machen kreative Dumplings mit überschüssigen Lebensmitteln. Wer sie dazu inspiriert hat? Die Oma. DingsDums Dumplings – das Start-up der beiden Gastro-Quereinsteiger – wurde mit dem METRO Preis für nachhaltige Gastronomie ausgezeichnet.

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Dings Dumps Dumplings
Ann-Kathrin Wohlrab und Mauritz Schröder
Was eine Oma mit einem Impact Start-up zu tun hat? Im Fall von DingsDums Dumplings aus Berlin eine Menge. Denn ihr nachhaltiger Umgang mit Lebensmitteln inspirierte Ann-Kathrin Wohlrab dazu, sich nicht nur um die eigene, sondern auch die in unserer Gesellschaft verankerte Lebensmittelverschwendung Gedanken zu machen. Kurzerhand tat sie sich mit Mauritz Schröder zusammen, der als Ergänzung zu ihrer kreativen Energie fürs Gründen wertvolles Management-Wissen mitbrachte. Was schließlich dabei rauskam, sind leckere Teigtaschen – voll mit überschüssigen und geretteten Lebensmitteln – zum Hieressen und Mitnehmen. Im November 2019 wurde das Start-up mit dem METRO Preis für nachhaltige Gastronomie ausgezeichnet.

„Eigentlich sind wir ein ganz normales Restaurant – mit den gleichen Auflagen und allem“, sagt Ann-Kathrin Wohlrab. Ihren Laden in der Wiener Straße 34 in Berlin nennen sie und ihr Partner liebevoll „kleiner Imbiss-Showroom“. Die Speisekarte wechselt immer komplett, denn Wohlrab und Schröder nehmen nur das, was sie kriegen können und das kann in der einen Woche Rotkohl und Rote Bete und in der anderen Woche Hähnchen und Spinat sein. „Nur Kartoffeln gibt es immer“, sagt Ann-Kathrin Wohlrab lachend. Seit 2017 machen sie und Mauritz Schröder leckere Dumplings in den abenteuerlichsten Geschmacksrichtungen – und das fast ausschließlich aus überschüssigen und geretteten Lebensmitteln. Die Qualitätssicherung der verwendeten Lebensmittel erfolgt durch die Kooperationspartner, zu denen neben dem Lebensmitteleinzelhandel auch METRO Deutschland und SIRPLUS zählen.

Wertschätzung wieder in den Köpfen manifestieren

„Unser Ziel war es, alle Lebensmittel verwerten zu können – nicht nur Obst und Gemüse, sondern auch Fleisch, Fisch und Milchprodukte“, so Wohlrab. „So sind wir auf die Teigtaschen gekommen, denn da kann man wirklich alles verarbeiten.“ Was nicht als leckere Füllung oder im Teig landet, macht sich oft super als Saucenzutat.

„Wir sind es gewohnt, für Lebensmittel nicht viel zahlen zu müssen – da liegt es nahe, zu denken, sie seien nicht viel Wert. Wir glauben, dass es wichtig ist, unseren Kunden zu zeigen, dass man Lebensmittel wertschätzen muss“, so Wohlrab.

Wir sind es gewohnt, für Lebensmittel nicht viel zahlen zu müssen – da liegt es nahe, zu denken, sie seien nicht viel Wert. Wir glauben, dass es wichtig ist, unseren Kunden zu zeigen, dass man Lebensmittel wertschätzen muss.

Ann-Kathrin Wohlrab

„Und dass keinem ein Nachteil entsteht, wenn sie überschüssige oder gerettete Lebensmittel verzehren. Die Wertschätzung muss sich wieder in den Köpfen der Menschen manifestieren.“ Eben so, wie bei ihrer Großmutter. „Meine Oma hat immer alle Lebensmittel verwertet und diese auch noch am nächsten Tag gegessen“, erzählt die Gastro-Gründerin. „Als ich in Berlin studiert und später in einer Agentur gearbeitet habe, ging diese Lebensweise, dieser bewusste Umgang mit Lebensmitteln, in meinem Alltag verloren. Ich hatte immer einen vollen Kühlschrank und habe immer viel weggeschmissen. Irgendwann hat es mich so gestört, dass ich angefangen habe, nach einer Lösung für dieses Problem, das ja nicht nur mich, sondern unsere ganze Gesellschaft betrifft, zu suchen.“

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Die Begeisterung anderer für ihre Idee machte den Gründern Mut

Sowohl Ann-Kathrin Wohlrab als auch Mauritz Schröder hatten keine Gastro-Erfahrung, als sie ihr Start-up gründeten. Sie hatten zuvor unterschiedliche Möglichkeiten in Erwägung gezogen, überschüssige Lebensmittel an den Mann zu bringen: Kochboxen zum Beispiel. „Da ist der logistische Aufwand aber enorm, besonders, wenn man eigentlich komplett nachhaltig sein möchte“, sagt Wohlrab. Irgendwann kamen sie dann auf Teigtaschen. Durch unterschiedliche Teige, Füllungen und Saucen bleibt es stets interessant. „Und wir essen beide richtig gerne Dumplings!“
Dings Dumps Dumplings in Brühe

Das erste Mal außerhalb des Freundeskreises testgegessen wurden Wohlrabs und Schröders Dumplings auf einem Crowdfunding-Event von SIRPLUS. Die kleinen Leckerbissen fanden rasenden Absatz und ihre Erfinder wurden immer wieder nach der Location ihres Restaurants gefragt – dabei lautete der damalige Plan noch, die Teigtaschen über den Lebensmitteleinzelhandel zu verkaufen. Doch DingsDums Dumplings wurden immer wieder für Caterings angefragt. „Alles hat rasant Fahrt aufgenommen – ja, sich praktisch verselbstständigt“, erinnert sich Ann-Kathrin Wohlrab. „Wir wurden immer wieder für Foto- und Interviewtermine angefragt und sogar von namhaften Unternehmen gebucht, obwohl wir nicht mal ein Restaurant hatten und immer in Mitküchen gekocht haben. Diese Begeisterung der Menschen für unsere Idee hat uns schließlich den Mut gegeben, es einfach zu machen mit dem Restaurant. Wir hatten so viel zu tun – da war nicht mal Zeit für Zweifel.“

Lebensmittel-Rettung erfordert maximale Flexibilität

Geregelte Küchenzeiten gibt es bei DingsDums Dumplings nicht – das Lebensmittelretter-Business erfordert maximale Flexibilität. Produziert wird dann, wenn Zutaten verfügbar sind. Lebensmittel, die unmittelbar vor Ablauf des Verbrauchsdatums stehen, werden umgehend verarbeitet. Während vorne im kleinen Restaurant verkostet wird, wird hinten in der großen Küche gekocht, gefüllt, gefaltet. Jede Teigtasche wird anschließend einzeln schockgefrostet – das ermöglicht passgenaues Aufwärmen, vermeidet Lebensmittelabfälle und macht die Dumplings bis zu fünf Monate länger haltbar. Mittlerweile beschäftigen die beiden auch einen Koch. Mit ihm zusammen entwickeln sie spontan neue Dumpling-Kreationen. „Wir erzählen ihm, was es aktuell gibt bei unseren Partnern und er sagt uns, was davon wir einkaufen sollen.“

Unsere Arbeit jetzt ist nicht zu vergleichen mit dem Büro-Alltag. Wir lieben den direkten Kundenkontakt und die Überraschungen und Entscheidungen, die jeder Tag als selbstständiger Gastronom mit sich bringt.

Ann-Kathrin Wohlrab

Und auch wenn sie schon vor Corona größtenteils zum Mitnehmen produziert haben, ist diese Zeit nicht spurlos an ihnen vorübergegangen. „Durch die 360-Grad-Beratung, die wir letztes Jahr gewonnen haben, konnten wir unseren Online-Shop ausbauen und die letzten Monate haben uns gezeigt, dass wir uns in Zukunft darauf konzentrieren wollen“, sagen die Gründer. In absehbarer Zeit wird das kleine Restaurant geschlossen – aktuell testen Wohlrab und Schröder dort ein Café-Konzept mit selbstgebackenen Kuchen aus geretteten Zutaten und fairen Kaffee. Auch steht der Verkaufsstart ihrer Dumplings in den Rettermärkten von SIRPLUS und Original Unverpackt bevor. Bio-zertifizierte Teigtaschen für den Verkauf in Bio-Märkten sind ebenfalls in Planung. „Wir wollen vor allem in die Supermärkte rein, um mit unseren Produkten mehr Leute zu erreichen und dadurch auch mehr Lebensmittel zu retten“, erklärt Wohlrab.

Ann-Kathrin Wohlrab kommt beruflich aus der kreativen, Geschäftspartner Mauritz Schröder aus der Marketing- und Management-Ecke. „Dadurch können wir viel selbst machen, was Gestaltung und Vermarktung angeht“, so Wohlrab. Gastronomisch sind die beiden Autodidakten. „Wir mussten viel lesen und lernen und machen auch heute noch immer wieder neue Erfahrungen. Unsere Arbeit jetzt ist nicht zu vergleichen mit dem Büro-Alltag. Wir lieben den direkten Kundenkontakt und die Überraschungen und Entscheidungen, die jeder Tag als selbstständiger Gastronom mit sich bringt.“

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