Die zierliche junge Frau kommt aus der Küche, und schon gibt es die erste Überraschung. Sarah Henke, die Frau mit dem sehr deutschen Namen und Inhaberin des YOSO in Andernach, ist Asiatin, genauer: Sie ist in Südkorea geboren. Mit knapp 18 Monaten kam sie nach Deutschland und wuchs als Adoptivkind bei der Familie Henke in einer Provinz Niedersachsens auf.
„Ich komme aus einer Familie, bei der das Essen nicht aus dem Supermarkt kam”, erzählt sie. Viele Stunden stand sie am Herd der Mutter und sah zu, wie sowohl Gemüse als auch Hühner und Schafe aus Eigenhaltung verarbeitet wurden. „Als Kind habe ich den ganzen Zyklus der Nahrungskette miterlebt – mit Gemüse aus eigenem Garten, eigenen Tieren, Schlachten, Kochen – einfach alles!”, erklärt die 36-Jährige. Ihre Leidenschaft fürs Kochen wurde aber erst entflammt, als sie im Abiturjahr in der Gastronomie jobbte. „Das hat mir einfach so viel Spaß gemacht, dass ich gesagt habe: Ich werde Köchin.”
Rückblickend waren es glückliche Fügungen wie diese, die Sarah Henke den Weg in die Männer-dominierte Welt der Küchenchefs ebneten. Nach ihrer Ausbildung zur Köchin arbeitete sie im renommierten Schlosshotel Lerbach, ging danach für ein Jahr nach Portugal und wurde 2006 von Sternekoch Sven Elverfeld ins Restaurant „Aqua“ in Wolfsburg geholt. „Wenn man in der Kochszene auf einem bestimmten Level kocht, hat man sich nach ein paar Jahren ein Netzwerk aufgebaut. Da wird man geholt, wenn jemand, mit dem man mal gearbeitet hat, einen Koch bei einer Top-Adresse sucht.“
Die eigene Handschrift in der Aromenküche
Innerhalb von drei Jahren arbeitet sie sich vom Commis de Cuisine zum Chef de Partie hoch und erlernt das Handwerk, das ihren Küchenstil später so besonders macht. Der gute Ruf eilt ihr voraus: 2011 wird sie mit nur 29 Jahren Küchenchefin im Restaurant „Spices“ im Wellnesshotel A-ROSA in List auf Sylt.
Erstaunlich dabei ist, dass sie erst auf Sylt die Nuancen der fernöstlichen Küche kennenlernte. Manchmal, so scheint es, bedarf es großer Umwege, um zurück zu den eigenen Wurzeln zu kommen. So war es auch bei Sarah Henke: „Ich hatte vorher nie etwas mit asiatischer Küche zu tun“, sagt sie und lacht. „Ich habe einfach notiert, was für mich typisch asiatisch ist, also Zitronengras, Ingwer, Kokosmilch, sehr banale Sachen.” Den Rest hat sie dann einfach gegoogelt. Inzwischen hat Sarah Henke ihre eigene Handschrift der Aromenküche entwickelt. Vielleicht liegt ihr das Gespür für asiatische Aromen in den Genen.
Auf Sylt pflegt sie den Fusion-Stil, einen Mix aus europäischer und asiatischer Küche. Die junge Köchin sucht nach authentischen Rezepten aus verschiedenen asiatischen Länderküchen und entwickelt auf dieser Basis ihre Interpretationen mit Produkten aus der Region. Es sind die einfachen Zutaten von höchster Qualität, sagt sie, die stets die Grundlage ihrer Gerichte bilden. Dazu kommen das schonende Garen, viele frische Kräuter und wenig Salz. Klingt einfach, erfordert aber ein hohes Maß an Sensibilität und handwerklichem Können. Sarah Henke hat beides.
Als Frau in der Haute Cuisine
Kritiker und Gäste sind begeistert. Trotz ihrer Erfolge bleibt sie aber in der Haute Cuisine als Frau eine Ausnahme. Ohnehin muss man am Sternenhimmel der Kochkunst lange nach Frauen hinterm Herd suchen. Sarah Henke ist da pragmatisch und sieht im Frauenmangel in der Sterneküche keinen Gender-Hintergrund: „Hierzulande steigen einfach viel zu wenig Frauen in diesen Ausbildungsberuf ein – da kann auch oben nichts ankommen“, sagt sie.
Probleme, sich durchzusetzen und oben anzukommen, hat sie selbst nicht. Ihren Führungsstil beschreibt sie als ruhig und gelassen. „Es reichen ein, zwei Blicke, damit die Jungs in der Küche spuren”, sagt sie selbstbewusst.