Grünes Roggenpesto nach einem über 400 Jahre alten Rezept: Dafür ist Bogdan Gałązka unter anderem berühmt. Dreizehn Jahre lang war der Meisterkoch Miteigentümer des Gothic Café und Restaurants in der Marienburg in Malbork, der größten mittelalterlichen Burg der Welt. Dort rekonstruierte er die historische Küche des Mittelalters und der Spätrenaissance. Gałązka weiß, wieso traditionelle Gerichte nicht nur in Polen aktuell im Trend liegen: „Ich glaube, die Menschen haben ihre Wurzeln vermisst und kehren wieder zur Natur zurück. Vor allem in Osteuropa haben wir unseren Traditionen lange keine Beachtung geschenkt, sie sogar ein bisschen verleugnet.“ In Polen seien beispielsweise überall Sushi-Bars aus dem Boden gesprossen, „wie Pilze nach dem Regen“, so der Spitzenkoch. „Doch dank einer neuen Generation von Köchen sind wir wieder da und schämen uns nicht mehr für unsere Küche.“ Auch das Umweltbewusstsein übertrage sich mehr und mehr auf die Teller. So punkten regionale Produkte durch kurze Transportwege und sehr gute Qualität.
Saisonal und naturverbunden
Denkt man an polnische Küche kommen einem als erstes Pierogi und Schweinekoteletts in den Sinn. Ein Vorurteil findet Gałązka: „Das ist Komfortessen, wenn man so will. Viele Restaurants, die von Polen im Ausland geführt werden, verwenden diese Gerichte, weil sie schmackhaft und einfach sind.“ Doch die traditionell polnische Küche habe noch viel mehr zu bieten: „Wir sind eine Nation, die kräftige Suppen oder Teigtaschen liebt und gerne saisonal kocht. Gemüse wird beispielsweise im Herbst sauer eingelegt, im Frühjahr dagegen frisch verzehrt.“ Viele Polen sammeln auch Waldbeeren, Pilze oder Wildpflanzen für die hauseigene Küche. „Akazien- und Holunderblüten werden gerne in Tempura zubereitet“, berichtet der Gastronom. Zu seinen persönlichen Lieblingsgerichten zählen saure Kraut- und junge Kohlsuppe mit Dill sowie Kartoffelpuffer: „Die esse ich vor allem im Herbst und im Frühjahr, weil es dann junge Kartoffeln gibt.“ Zum Nachtisch darf es gerne Hefebaba mit Safran sein, ein runder Napfkuchen aus süßem Hefeteig.
Altes neu interpretieren
Neben Gałązka lassen auch viele andere polnische Spitzenköche die Rezepte aus vergangenen Zeiten wieder aufleben. Als Inspirationsquelle dienen historische Bücher. „Die von mir verwendeten Rezepte reichen sogar bis zum Ende des vierzehnten Jahrhunderts zurück“, erzählt der Spitzenkoch. Auch wenn es keine 1:1-Rekonstruktionen waren, seine Gäste sind begeistert. „Wir haben damit nicht nur ein Gericht, sondern auch ein Stück Geschichte transportiert.“ Seine Empfehlung: Sich von Traditionellem inspirieren lassen, aber gleichzeitig modern kochen, sodass es den Gästen schmecke und nicht zu gewöhnungsbedürftig sei. „Heute haben wir Zugang zu viel mehr Produkten und neuen kulinarischen Techniken“, beschreibt er den Unterschied zur modernen polnischen Küche.
Trends im Auge behalten
Heute ist Gałązka Miteigentümer des Café Stolica, im historischen Gebäude des Kinos Mokotów in Warschau. Hier hat er zusammen mit seinem Geschäftspartner Piotr Wierzbowski einen Treffpunkt für Kulinarik- und Filmfans geschaffen. Für Gastronomen sei es wichtig, Trendentwicklungen genau zu beobachten und darauf zu reagieren, findet er. Gałązka ist selbst Mitglied eines Gesprächskreises für Tischkultur und weiß, dass die Zusammenarbeit zwischen Gastronomie und Geschichtswissenschaft manchmal gar nicht so einfach sein kann, wenn Fachjargons aufeinandertreffen.