Personalisierte Ernährung: Wie die Gastronomie profitieren kann

Längst ist individuelle, gesundheitsorientierte Ernährung kein Nischen-Trend mehr. Welche Potenziale das Thema mit Blick auf Kommerzialisierung und Umsetzung in der Gastronomie bietet.

Personalisierte Ernährung in Restaurants

Jeder Mensch ist anders – so banal diese Erkenntnis zunächst klingt, so wertvoll kann sie sein. Denn so unterschiedlich wir als Individuen sind, so verschieden reagieren auch unsere Körper auf Speisen. Wer einmal eine Unverträglichkeit oder gar Krankheit durch Ernährungsumstellung in den Griff bekommen hat, weiß, was Lebensmittel und ihre Inhaltsstoffe bewirken können. Personalisierte Ernährung (PE) setzt genau dort an: Sie berücksichtigt Faktoren des Einzelnen wie Größe, Gewicht und den individuellen Stoffwechsel, zieht dazu Biomarker aus Blut, Speichel oder Urin sowie Darmbakterien heran. Auch persönliche Lebensumstände und Verhaltensweisen, ethnische und kulturelle Einflüsse finden Berücksichtigung. Im Ergebnis entsteht ein individuelles Profil, das der Person ermöglicht, evidenzbasierte Ernährungsentscheidungen zu treffen – das heißt, sich bewusst zu ernähren und damit positiv auf Lebensqualität und Gesundheit einzuwirken.

So weit, so gut. Doch welche Rolle spielt dieses Konzept für die Gastronomie? Zwar können Restaurantbetreiber auf Inhalts- und Zusatzstoffe auf ihren Speisekarten hinweisen, können vegane oder glutenfreie Gerichte anbieten und Menü-Varianten zur Auswahl anbieten. Dennoch wird ein – mehr oder weniger – kommerziell ausgerichteter Betrieb wohl kaum auf jede individuelle Befindlichkeit Rücksicht nehmen können. Und auch die Analyse von Darmbakterien oder Speichelproben, geschweige denn DNA, wird wohl kaum von Relevanz für die Restaurant-, Hotel- und Cateringbranche sein. Oder etwa doch?

Zu individuell für die Gastronomie?

„Es steht und fällt mit dem richtigen Geschäftsmodell“, sagt Clément Tischer, Head of Innovation & Partnerships bei NX-Food. Das METRO Innovationshub beschäftigt sich mit der Zukunft der Ernährung, forscht zu diesem Zweck, unterstützt Start-ups und arbeitet mit Partnern zusammen. „Personalisierung ist seit Jahren ein enormer Trend in allen möglichen Bereichen“, sagt Tischer. „Die Gastronomie hat dabei aber eine besondere Herausforderung, nämlich den schwierigeren kommerziellen Fokus.“ Denn im Vergleich etwa zu personalisierten Sneakern mit selbstkonfiguriertem Schriftzug oder der individualisierten Ernährung im Bereich B2C, also beispielsweise dem Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln an Endkonsumenten, gibt es in der Gastronomie einige Hürden: Zum einen verfügen Gastronomen in der Regel über viel geringere Ressourcen und Möglichkeiten als die verarbeitende Industrie. Gleichzeitig stellt es einen enormen Aufwand für Gastronomen dar, alle Zutaten zu analysieren. Und zum anderen bedeutet Personalisierung für den Gastronomen selbst weniger Flexibilität, denn die Gerichte müssen immer genau so sein wie auf der Speisekarte beschrieben. Insgesamt stellt sich somit – nicht nur für die Gastronomie – die Frage, wie sich mit PE gewinnbringend Geld verdienen lässt: Sind Gäste oder Kunden bereit, dafür einen höheren Preis zu zahlen?

Im „Valley of Death“, dem „Tal des Todes“, wähnt NX-Food das Thema deshalb aktuell. Der Begriff ist dem Start-up-Businessjargon entlehnt: Er beschreibt die Phase im Lebenszyklus einer jungen Firma, in der Finanzierung und Betrieb zwar stehen, das Unternehmen aber noch keine Erträge erwirtschaftet. Eine kritische Zeit also, in der sich Produkte oder Dienstleistungen als durchsetzungsfähig und letztlich profitabel erweisen müssen. „Personalisierte Ernährung bietet einerseits großes Potenzial für die HoReCa-Branche, weil Gesundheitsbewusstsein und Individualität insgesamt im Trend liegen. Die Zahlungsbereitschaft ist also grundsätzlich da“, sagt Tischer. Dennoch ist das Thema derzeit in der Gastronomie noch eher ein Randphänomen. Denn: Wirtschaftlich tragfähige Konzepte sind Mangelware.

Clement Tischer
Clément Tischer, Head of Innovation & Partnerships bei NX-Food.

Ohne Daten geht’s nicht – doch die verursachen Kosten

„Es gibt schon Empfehlungen oder Rezepte, aber der Konsument wird damit allein gelassen“, sagt Tischer. Ein weiteres Problem: Um tatsächlich positiv auf die Gesundheit einzuwirken, sind Daten erforderlich – und zwar, logisch, höchstpersönliche. Das müssen noch nicht einmal sehr viele Daten sein, ein simpler Fragebogen kann schon als Ausgangspunkt reichen. Aber auch den muss jemand auswerten und anwenden. Was nicht nur Ressourcen erfordert, sondern auch datenschutzrechtliche Fragen aufwirft. Und selbst wenn letztere gelöst wären, blieben die hohen Kosten für die Datenbeschaffung. Diese schlagen sich in den Preisen nieder, die Gäste zwar prinzipiell sogar zu zahlen bereit wären. Jedoch nur, wenn jene transparent und verständlich sind, so Tischer: „Für Verbraucher sollten Produkte und Informationen idealerweise klar und einfach sein. Das ist aber eine besondere Herausforderung für Geschäftsmodelle, die gerade eine hohe Mitwirkung von Verbrauchern erfordern.“

Im Whitepaper „Personalized Nutrition: Finding the right Business Model to overcome the Valley of Death” widmet sich NX-Food eben diesen Fragen: Hat das Konzept der Personalisierten Ernährung Potenzial als kommerzieller Trend? Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich für Gastronomie und Lebensmittelindustrie? Immerhin: Ideen, den Trend in die wirtschaftliche Praxis umzusetzen, gibt es. Zum Beispiel im Bereich eGrocery durch Online-Shops mit Filterfunktionen nach personalisierten Ernährungskriterien. Oder durch zumindest in Teilen personalisierbare Mahlzeiten in sogenannten Fast-Casual-Restaurants, also Schnellrestaurants mit frischen Produkten und reduziertem Service. Auch Abonnement-basierte Menü- oder Zutaten-Bringdienste, die Kunden auf Grundlage deren individueller Nährwertangaben Lebensmittel für ganz bestimmte Gerichte nach Hause liefern, könnten eine Rolle spielen.

„Personalisierte Ernährung ist extrem komplex, weil die Wertschöpfungskette so komplex ist“, konstatiert Food-Trend-Experte Tischer. „PE erfordert eine Reihe von Schritten und Prozessen, um erfolgreich zu sein, und jeder Schritt muss Teil eines vollständig integrierten Systems sein. Diese Komplexität macht es für einen einzelnen Akteur schwer, alle diese Schritte und Prozesse in der Wertschöpfungskette lukrativ abzubilden.“ Ob es der Trend letztlich in den gastronomischen Alltag schafft, lasse sich aktuell nicht vorhersagen. Immerhin – das Whitepaper mit spannenden Fakten, Tipps und Prognosen gibt es hier: nx-food.com/personalized-nutrition-whitepaper

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