Das Meer macht den Geschmack

Mindestens zwei Umzüge, tägliches Schütteln und Rütteln und viel Ebbe und Flut – mit nur 3 Jahren und 90 Gramm hat sie schon einiges erlebt. Die Sylter Royal. Eine Auster aus dem nordfriesischen Wattenmeer. Einzigartig, durch das Meer, die Lage und das Winterquartier.

Sylter Royal Austern Farm

Täglich, bei Wind und Wetter, werden auf Sylt, ganz oben im Norden, die Austern mit dem feudalen Namen „Sylter Royal“ geerntet. Es ist eine der nördlichste Austernzuchten Europas und die einzige in Deutschland. Was sie sehr besonders macht. Aber nicht nur das. „Die Wasserqualität hier oben, das ist es, was die Auster so einzigartig macht“, erklärt Bine Pöhner, Geschäftsführerin der Dittmeyer´s Austern-Compagnie in List auf Sylt. „Wir haben hier die beste europäische Wassernorm. Vergleichbar mit Trinkwasserqualität. Abgesehen vom Salzgehalt“, schmunzelt sie. „Nur drei Regionen in Europa haben die Kategorie A, ein Zipfel von Schottland, Teile der Irischen See und wir“, erklärt sie stolz und ergänzt: „Eine Auster ist immer nur so gut, wie das Wasser, in dem sie heranwächst. Wir dürfen die Auster sogar direkt aus dem Meer verkaufen“. Es heißt, sie schmecke leicht nussig und angenehm nach Meer.

Seit 14 Jahren arbeitet die gebürtige Hamburgerin auf Sylt – ihrer zweiten Heimat. Sie selbst bezeichnet sich als „Mädchen für alles“, das die Bilanz im Blick hat, neben der Öffentlichkeitsarbeit den Einkauf und den Vertrieb betreut und hin und wieder ins Watt geht, um Austern zu ernten. „Der bunte Strauß eben“, sagt sie.

Ihr Arbeitsplatz liegt im nordfriesischen Nationalpark. Hier sind sowohl das Büro, das 5 Mitarbeiter beherbergt, und die Austernzucht angesiedelt. Heute würde ein Betrieb dort nur schwer oder gar nicht mehr bewilligt werden. „Die Lage hier ist mit vielen Genehmigungen verknüpft. Es wäre schon ein unheimlicher Verwaltungsakt, bis ein Unternehmen sich dann überhaupt an die praktische Arbeit eines Tages heranwagen würde“, weiß sie aus eigener Erfahrung. Auch sie muss in regelmäßigen Abständen die Pacht und die Verträge neu verhandeln.

Handarbeit: Bine Pöhner sortiert Austern


Die Gezeiten bestimmen den Arbeitsrhythmus

Doch selbst wenn die Behördengänge geregelt sind, gilt es noch einige Hürden zu meistern, bis die Auster auf dem Teller und im Magen eines Genießers landet. Drei Jahre wachsen die Tiere im Wattenmeer, werden täglich gerüttelt, geschüttelt und von Algen gesäubert – alles in feinster Handarbeit. Zwei Jahre werden die Austern so gehegt und gepflegt. Bis sie bei einem Gewicht von 70-90 Gramm geerntet werden. „Dann haben sie das richtige Mundgefühl“, weiß Bine Pöhner, die, was ihren eigen Austerngeschmack betrifft, eher puristisch veranlagt ist. Klassisch ohne alles. Auch ohne den berühmten Spritzer Zitronensaft.

Die Austernfischerei ist definitiv kein klassischer „Nine-to-Five“Job. „Wir sind abhängig von den Gezeiten, auch Tide genannt, also von Ebbe und Flut. Wir können nur ernten, wenn Ebbe ist, wenn das Wasser zurückfällt“, erklärt sie und fügt an, „Tiden sind zudem nicht jeden Tag gleich lang. Mal hat man für die Ernte zwei bis drei Stunden Zeit, und dann kann sich ein Zeitfenster von nur 30 Minuten öffnen“. So müssen die Austernfischer auch mal abends oder nachts raus, wenn es eine besonders lange Ebbe gibt. Entlohnt wird man dann mit der Abendsonne oder auch der besonderen Atmosphäre bei Nacht. Langweilig wird es jedenfalls nie.

Um den Gezeiten und dem Wetter ein Schnippchen zu schlagen, ernten die Fischer meist einen Zweiwochenvorrat. „So bleiben wir wenigstens ein bisschen wetterunabhängig. Schließlich lebt die Zucht vom Verkauf“, erklärt Pöhner, „da darf uns kein Sturm oder Unwetter einen Strich durch die Rechnung machen“.

Austern werden zwei Jahre lang gehegt und gepflegt

Ein Winterquartier Deluxe

Für die Austern sind dagegen kalte Winter und Eisschollen die größte Gefahr. Sie liegen auf Stahltischen verpackt in grobmaschigen Netzen. Festgezurrt. Damit Strömungsverläufe, Stürme, Ebbe und Flut sie nicht wegtragen können. „Zwar sind wir mit unseren Tischen in einer geschützten Bucht, aber es ist immer noch die offene Nordsee. Die kann im Winter schon mal Eisschollen tragen“, erinnert sich Bine Pöhner an einen harten Winter vor acht Jahren. Daher darf die Sylter Royal jedes Jahr zum Winter in ein Winterquartier umziehen. Dann werden die Bänke geräumt und die Austern in Meeresbecken verfrachtet – unweit ihrer Sommerbehausung.

Das Winterquartier ist einzigartig. Nicht nur für die einzige Austernzucht Deutschlands. 16 Halterungsbecken sind mit einer mehr als 100 Meter langen Wasserleitung versorgt, die frisches Meerwasser anpumpt. Es sei ein ziemlich aufwändiges Pumpsystem, nicht wie man es vom Goldfischteich kenne, erklärt die Austernexpertin, denn es müsse ja ein bisschen mehr Volumen hinein und hinausbefördert werden. Austern sind Filtertiere. Sie nehmen das Wasser durch Kiemen auf und filtern es auf Nährstoffe. Sie wandeln die Stoffe, die ihnen schmecken in Vitamine und Mineralien um. Die restlichen Stoffe stoßen sie wieder ab. Daher müssen auch regelmäßig Wasserwechsel durchgeführt und die Becken belüftet werden. Eine aufwändige Behausung für die Auster, die ihresgleichen sucht. Das gibt es nirgendwo sonst auf der Welt.

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