Wie sieht der Supermarkt der Zukunft aus?
Konsumenten fordern perfekt auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Ernährung. Das wird den Supermarkt nachhaltig verändern, sagt Ernährungswissenschaftlerin Hannelore Daniel.
Konsumenten fordern perfekt auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Ernährung. Das wird den Supermarkt nachhaltig verändern, sagt Ernährungswissenschaftlerin Hannelore Daniel.
Frau Daniel, Sie sagen, dass die Nahrungsmittelsysteme durch verschiedene Faktoren wie zum Beispiel Klimawandel, wachsenden Bevölkerung und zunehmende Verstädterung unter Druck geraten. Worauf müssen wir uns einstellen?
Die Verfügbarkeit von Lebensmitteln und somit was letztlich auf den Tisch kommt, wird sich verändern. Sich so gut zu ernähren, wie wir es heute können, wird auf jeden Fall teurer werden.
Was bedeutet das auf einen Zeitraum von fünf und 15 Jahre?
In den nächsten fünf Jahren wird sich noch nicht viel ändern. Aber in den nächsten 15 Jahren werden Lebensmittel knapper und dadurch steigen die Preise. In Deutschland wird sich aber jeder auch weiterhin eine so versorgende und häufig auch dekadente Ernährungsweise leisten können. Aber in Ländern wie Afrika und partiell auch Asien, mit enormem Bevölkerungswachstum, werden wir vermutlich häufiger Unruhen sehen. Wenn Lebensmittelpreise steigen – das zeigt die Vergangenheit - steigt auch die Wahrscheinlichkeit für politische Zerwürfnisse aller Art.
Sie prophezeien neue Produktionssysteme für Lebensmittel. Welche Trends gibt es?
Der größte Trend ist die Revolution in der Welt der tierischen Lebensmittel mit einer Vielzahl von Ersatzprodukten. Was wir derzeit im Supermarkt finden, ist häufig geschmacklich, sowie in Geruch und Struktur noch nicht adäquat. Insbesondere in den USA, aber zunehmend auch in Europa, gibt es in diesem Segment viele Start-ups, die mit sehr viel Kapital von privaten Investoren unterstützt werden. Produkte, die derzeit entstehen, werden sensorisch einen Quantensprung bringen.
Die Zukunft gehört der personalisierten Ernährung und somit auch dem personalisierten Supermarkt. Das geht bis hin zu einem Menü aus dem 3D-Drucker.
Prof. Dr. Hannelore Daniel
Wie sieht der Supermarkt der Zukunft aus?
Wenn ich das wüsste, hätte ich längst meine eigene Firma gegründet. Wir werden in Zukunft noch stärker von der Lebensmittelproduktion Kriterien wie Nachhaltigkeit, Regionalität, aber auch Gluten-, Laktose- aber auch Fruktosefreiheit einfordern. Es können jedoch auch Krankheitsrisiken sein, wie Herzkreislauferkrankungen oder Bluthochdruck, die die Nachfrage nach speziellen Lebensmitteln prägen. Die Zukunft gehört der personalisierten Ernährung und somit auch dem personalisierten Supermarkt. Das geht bis hin zu einem Menü aus dem 3D-Drucker. Der erfolgsversprechendste Ansatz wird meines Erachtens im E-Commerce liegen.
Wie wird sich das auf den stationären Handel auswirken?
Der Supermarkt wird sich vermutlich zum Gourmet- und Entertainment-Tempel entwickeln - irgendwann müssen Sie ein neues Produkt ja verkosten, möglicherweise kostenfrei und später bestellen Sie es dann übers Internet. Der Supermarkt wandelt sich zur Animier-Station.
Gibt es Länder, in denen man sehen kann, wo die Reise in Deutschland hingehen wird?
In der Schweiz entwickeln erste Handelshäuser entsprechende Konzepte zur Personalisierung des Warenangebots. Ein weiteres Beispiel ist das US-Start-up Habit, in das der amerikanische Konservenhersteller Campbell Soup investiert hat. Habit liefert ein personalisiertes Menü, das zu deinen Wünschen, Vorlieben und Bedürfnissen passt. Also perfekt optimiert auf Alter, Blutzucker- und Cholesterinspiegel und sonstigen Faktoren. Drittes Beispiel ist England. Hier liegt der Anteil des E-Commerce im Bereich Fresh Food schon bei nahezu 25 Prozent mit Marktführern wie Ocado. Davon sind wir hier in Deutschland weit entfernt.
Warum hinkt Deutschland im E-Commerce hinterher?
Wir haben in Deutschland ein romantisches und völlig verklärtes Bild von Lebensmitteln wie sie produziert werden und vom Einkaufserlebnis Eigentlich gehen wir immer noch mit unserem Körbchen auf den Wochenmarkt - wir nennen ihn nur Supermarkt. In vielen anderen Ländern gibt es diesen etwas verqueren Blick auf die Lebensmittelwelt nicht.
Was bedeuten diese Herausforderungen für Unternehmen wie beispielsweise Metro?
Businesspläne gelten nicht mehr per se für Dekaden. Viele Handelsunternehmen öffnen sich ja schon für neue Konzepte wie etwa die Food-Erlebnistempel, in denen frisches Brot gebacken wird und nebenan die italienischen Delikatessen gereicht werden. Eine große Herausforderung wird sein, dem Konsumenten künftig in einer beständig anspruchsvolleren Welt das Leben zu erleichtern und bei Kaufentscheidungen die Hand zu reichen. Der wahre Stress des Alltags besteht meiner Meinung nach nicht in der Arbeit, sondern im Treffen von Entscheidungen. Man hat einfach nicht die Zeit für die Recherche, um unter tausenden von Möglichkeiten die richtige Entscheidung zu treffen, das richtige Produkt zu finden. Ich bin froh über jede Entscheidung, die mir abgenommen wird. Wie glaubwürdig Unternehmen künftig unterfüttern können, dass es ihnen wirklich um die Gesundheit ihrer Kunden und das Wohl der Welt und Umwelt geht, wird entscheidend sein.
Die Ernährungswissenschaftlerin Prof. Dr. Hannelore Daniel war zu Gast bei der 4. Düsseldorfer Mittwochsgesellschaft des Handels am 8. November 2017. Dort hielt sie den Vortrag: "Die globalen Herausforderungen für das Nahrungsmittelsystem"
Professorin Hannelore Daniel (*1954) erforscht die Grundlagen von Ernährungsprozessen auf genetischer, struktureller und funktioneller Ebene. Ihr besonderes Interesse gilt den enormen Unterschieden im Stoffwechsel von Menschen und diese Studien bilden auch die Grundlage für Konzepte der personalisierten Ernährung.