Wo Bauch und Kopf zusammenspielen

NENI ist eine Gastro-Erfolgsgeschichte: Erst mit 54 eröffnete Haya Molcho gemeinsam mit ihren Söhnen ihr erstes Restaurant am Wiener Naschmarkt. Mittlerweile gibt es zwölf NENI Restaurants in sieben Ländern, dazu Kochbücher und Produkte im Einzelhandel. Haya und Sohn Elior Molcho im Interview.

Haya Molcho und ihr Sohn
Haya und ihr Sohn Elior.
Haya Molcho im Porträt

Worum geht's?

  • Das erste NENI in Wien
  • Haya vertraut auf ihr Bauchgefühl
  • Inspiration für neue Rezepte
  • Als Familie zusammenarbeiten
Restaurant "Neni"

Haya, Elior, Ihr seid selbst keine gelernten Gastronomen. Würdet ihr im Nachhinein Dinge anders machen?

Elior: Oh, ja! (lacht) Aber man lernt oft am meisten, wenn man Fehler macht. Wir haben am Anfang Freunde und Freundinnen eingestellt, die noch nie im Service gearbeitet haben. Oder wir haben umgebaut – aber im Nachhinein festgestellt, dass wir eine Baugenehmigung gebraucht hätten.
Haya: Ja, die Toilette am ersten Standort habe ich schon dreimal gebaut. (lacht) Wir haben uns aber auch Sachen getraut, die andere vielleicht nicht gewagt hätten. Gerade weil wir keine gelernten Gastronomen sind.

Elior: Wie wir am Anfang die Preise für die Produkte kalkuliert haben... Wir haben tatsächlich überlegt: „Wie viel würden wir dafür bezahlen?“ Einfach nach Bauchgefühl.

Das Bauchgefühl spielte euch 2009 aber in die Karten – beim ersten Standort, dem NENI am Naschmarkt.

Haya: Es war damals wahnsinnig schwer, dort einen Platz zu kriegen. Mit dem Restaurant war es wie bei unserem Haus vor 42 Jahren. Bei dem Haus wusste ich sofort: Hier ziehe ich meine Kinder groß. Mit dem Laden am Naschmarkt hatte ich auch so ein Gefühl. Keiner wollte da hin. Da hinten stand der Müll, da gab es Ratten... Ich habe gesagt: Hier machen wir das.
Elior: Das ist aber auch ein Riesen-Talent unserer Mutter. Sie sieht etwas und weiß sofort, was man daraus machen kann.

Warum der Name NENI?

NENI setzt sich zusammen aus den Anfangsbuchstaben der Vornamen von Haya Molchos Söhnen:

N 👉 Nuriel
E
👉 Elior
N
👉 Nadiv
I
👉 Ilan

Was ist denn immer noch Bauchgefühl? Was nicht?

Haya: Die Produkte in den Supermärkten, die Kooperation mit der Hotelkette 25 Hours, das haben wir schon auch nach Bauchgefühl gemacht.

Elior: (winkt ab) Mittlerweile haben wir aber eine Verantwortung für 200 Mitarbeiter. Da muss man anders vorgehen.

Haya: Bei der Produktentwicklung und bei neuen Gerichten müssen wir uns natürlich Fragen stellen: Wie viel Strom braucht das? Wie viel Wareneinsatz? Wie viele Teller braucht der Service, wie viel Zeit zum Raustragen? Gerade jetzt, mit Blick auf Energiepreise und Personalknappheit. Deshalb steht Gastronomie auch nie still. Wir müssen immer wieder neu denken! Mein Bauchgefühl gebe ich aber immer noch dazu.

Woher nimmst du die Inspiration für deine Küche?

Haya: Ich habe meine Kindheit in Tel Aviv verbracht, wobei ich viel mehr draußen war als zu Hause. In Israel haben wir eine eklektische Küche. Unsere Vorfahren kamen von überall auf der Welt. Das habe ich auch in meine Küche eingebracht. Diese Geschmäcker aus meiner Kindheit sind nicht wegzukriegen.

Und wie entstehen neue Rezepte?

Haya: Gerade gestern erst! Ich möchte bald eine Ossobuco anbieten, also Kalbsfleisch, das zwei Stunden mit Knochen geschmort wird. Das habe ich gestern für meine Familie ausprobiert. So war das schon immer. Durch meine vier Jungs hatten wir immer ein volles Haus. Ich habe zu Hause eigentlich nie für weniger als 30 Leute gekocht, bei Bar Mitzwas sogar für 300.

Eigentlich bist du also, obwohl du Psychologie studiert und keine klassische Kochausbildung absolviert hast, im Grunde gar keine Quereinsteigerin.

Haya: Stimmt, so sehe ich mich auch gar nicht. Kochen heißt ja vor allem neugierig sein. Und Lernen bedeutet, sich mit Produkten auseinanderzusetzen.

Egal, wie sehr wir uns streiten, danach nehmen wir uns in die Arme und signalisieren uns: Als Familie kann uns nichts auseinander-bringen. 

Elior Molcho

Drei von vier Molcho-Söhnen arbeiten mit im NENI Betrieb. Nicht nur die Freizeit, sondern auch die Arbeitszeit mit der Familie zu verbringen, kann bestimmt auch ganz schön anstrengend sein.

Haya: Bei uns fliegen auch mal die Fetzen, klar. Aber der Austausch ist das wichtigste.
Elior: Egal, wie sehr wir uns streiten, und wir können uns wirklich gut streiten (zwinkert), danach nehmen wir uns in die Arme und signalisieren uns: Als Familie kann uns nichts auseinanderbringen. So haben unsere Eltern es uns von klein auf beigebracht. Wir müssen also auch im Geschäft immer eine Lösung finden, weil wir uns als Familie vertragen wollen.

Wenn nun aber – trotz aller Demokratie – keine Einigung herrscht: Wer hat im Zweifel das letzte Wort?

Haya: Ilan.
Elior: Er ist der CEO.

Rezepttipp: Arayes – von Haya Molcho

Rezepttipp: Arayes – von Haya Molcho

Der NENI Geschmack hat viele Einflüsse – ein Gericht zum Nachkochen hat Haya Molcho verraten: Arayes

Während des ersten Corona-Lockdowns habt ihr als Familie zeitweise sogar wieder alle unter einem Dach gelebt.

Haya: Ja, das war herrlich. Wir haben ein richtiges Kibbuz-Leben geführt! Gemeinsam Yoga gemacht, zusammen gekocht, mit allen meinen Söhnen und ihren Frauen und Freundinnen, die ja auch zur Familie gehören. Die Hunde waren da. Ich habe das sehr genossen. Mein Wunsch für die Zukunft wäre so ein Leben – wie eine Farm, mit gutem Essen, hausgemachten Produkten, Kindern, Tieren ... das finde ich eine tolle Vision.

Erstmal geht es aber mit anderen Projekten weiter. Was ist als nächstes geplant?

Elior: Unsere Produkte „NENI am Tisch“ sind demnächst auch in Supermärkten in der Schweiz und in den Niederlanden erhältlich. Und wir planen weitere Standorte.

Die Standorte in Wien führt ihr selbst, die weiteren NENI Restaurants sind Franchises. Haya, wie nah bist du da an den Mitarbeitern, am Geschäft?

Haya: Oh, sehr nah! Alle Köche aus dem NENI auf Mallorca kommen beispielsweise hier nach Wien und wir kochen zusammen. NENI ist eine Philosophie, ein Spirit. Und wir unterstützen die Standorte mit unserem gesamten Know-how.

Daneben verfolgt eure Familie noch etliche weitere Projekte.

Haya: Wir waren als Familie nie die großen Planer. Mir war immer nur wichtig, dass wir alle glücklich sind. Jeder folgt bei uns wirklich seiner Leidenschaft. Nuriel hat zum Beispiel noch ein Hutgeschäft. Warum? Weil er einen Hut kaufen wollte und keinen passenden gefunden hat. Also eröffnete er ein Hutgeschäft! Und Elior hat gerade zusätzlich zum NENI sein eigenes Restaurant Kvetch eröffnet. Mein Vater hat immer gesagt: Steck nie alles in ein Projekt. Das ist eine Mentalität, mit der ich aufgewachsen bin. Und mit dem Satz: Es gibt nichts, was du nicht schaffen kannst. Solange du fleißig bist!

Portrait Haya Molcho

Über ... Haya Molcho

Haya Molcho, Jahrgang 1955, ist geboren in Tel Aviv. Die Kindheit dort prägte sie – kulinarisch und kulturell. Mit neun Jahren zog Haya Molcho mit ihrer Familie nach Bremen. Nach dem Abitur studierte sie Psychologie. 1978 heiratete sie den Pantomimen und Körpersprache-Experten Samy Molcho, mit dem sie sieben Jahre um die Welt tourte. Zwischen 1984 und 1990 brachte Haya Molcho vier Söhne zur Welt: Nuriel, Elior, Ilan und Nadiv. Aus den Anfangsbuchstaben setzt sich NENI zusammen. Das erste Restaurant eröffnete die leidenschaftliche Köchin erst 2009, gemeinsam mit zwei ihrer Söhne. Mittlerweile betreiben die Molchos den Familienbetrieb NENI zu viert – „demokratisch“, wie Haya Molcho betont.

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