„Beim Umdenken geht es darum, fürs nächste Mal krisensicherer zu sein“

Selbst jahrelang Küchenchef und Restaurantbetreiber, arbeitet Karl Romboy seit 2019 bei METRO Deutschland. Durch seine Erfahrungen, sein Netzwerk und auch durch die Arbeit an der Neustart-Gastro-Hotline hat er die aktuelle Situation der Gastronomie im Blick – und eine Menge Ideen, was jeder Einzelne daraus machen könnte. Im MPULSE Interview spricht er über Wirtschaftlichkeit, Kreativität und das Innovationspotential der Krise.

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Karl, wie siehst du die Auflagen, unter denen die Gastronomie ihren Betrieb wieder aufnehmen durfte?

Man kann davon ausgehen, dass ein Gastronomiekonzept zu 70 bis 80 % ausgelastet sein muss, damit es wirtschaftlich ist. Und da reden wir nicht von einem neuen Porsche, sondern vom Break Even und ein paar Euro, die übrig bleiben, damit man Reparaturen zahlen oder investieren kann. Mit nur 50 % Auslastung werden viele scheitern. Und dann gibt es auch Fälle, da geht es nicht mal um 50 %. Ein Bekannter von mir hat einen Laden, in dem er mit den Auflagen statt 60 nur noch 12 Plätze belegen darf – und er ist kein Einzelfall. Selbst wenn er deine doppelte Belegung macht pro Abend, kommt er nicht auf 50 % seines Umsatzes, sondern vielleicht auf 30 bis 40. Es gibt viele dieser Läden, bei denen es sowohl ums Essen als auch um die Geselligkeit geht. Gerade Betriebe mit kleineren Flächen sind stark betroffen. Die sind auf Nähe und aufs Sehen-und-Gesehen-werden ausgelegt – und auf höchstmögliche Effizienz. Da wird noch ein Tisch reingequetscht und noch ein Gast reingesetzt. Wie sollen die jetzt wirtschaftlich arbeiten?


Karl Romboy

Bei der METRO Neustart-Gastro-Hotline beratet ihr Gastronomen in genau diesen Fragen. Was sind eure Empfehlungen?

Die Pauschal-Lösung gibt es nicht – dafür ist Gastronomie zu individuell, zu vielfältig. Was ich aber ganz klar empfehle, ist, dass sie ihr Speisenangebot überarbeiten und weiterhin auf Take Away und Lieferung setzen. Ich empfehle ihnen, flexibel zu sein. Und mutig. Es erfordert eine Menge Mut, etwas anders zu machen als all die Jahre zuvor.

Wie sieht diese Flexibilität denn aus?

Ich habe zum Beispiel mit einem Kunden gesprochen, der ein Flammkuchenhaus betreibt. Als der Lockdown kam, wusste er, dass er seine Speisen nicht mehr verkaufen kann – Abholen oder liefern lassen funktioniert mit Flammkuchen einfach nicht, der ist dann kalt. Also hat er angefangen, Pizza und Burger zu machen – den Ofen hatte er ja. Und damit hatte er einen so durchschlagenden Erfolg, dass er es auch jetzt, wo er wieder öffnen und Flammkuchen servieren kann, weiter anbietet. Er sagt, dass er vorher nie daran gedacht hat, sich mal zu verändern und jetzt bringt ihm das neue Angebot neue Umsätze.

Also ist die Krise auch eine Chance für die Gastronomie?

Ich nutze gerne das Wort „Situation“ statt „Krise“. Weil es eben eine Situation ist, auf die wir uns alle neu einstellen müssen. Die Beschränkungen werden so schnell nicht wieder aufgehoben – da mache ich mir überhaupt keine Illusionen. Beim Umdenken in der Gastronomie geht es ja auch darum, fürs nächste Mal besser vorbereitet – und hier passt das Wort jetzt – krisensicher oder zumindest -sicherer zu sein. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Gastronomen ihre Speisekarte nicht nur der neuen Situation anpassen, sondern diese auch vermarkten, damit sie dadurch Umsätze generieren.


Es ist wichtig, dass Gastronomen ihre Speisekarte nicht nur der neuen Situation anpassen, sondern diese auch vermarkten.

Karl Romboy

Wie könnte sowas denn in der gehobenen Gastronomie aussehen? Die Speisen dort sich ja eher seltener darauf ausgelegt, dass sie einen Transport überstehen.

Ich weiß, dass einige Restaurants Menüs á la Maison anbieten – also fertig gekochte Gerichte in Vakuumbeuteln, die man sich zu Hause warm machen und selbst anrichten kann. Aber wer ist auf Dauer bereit, dafür genauso viel Geld auszugeben, wie für ein Genusserlebnis im Restaurant, mit dem passenden räumlichen Ambiente und dem professionell angerichteten Teller? Vielleicht ist auch eine rudimentärere Küche die Antwort. Sich einfach mal aufs Wesentliche besinnen. Bei unserem Beratungsangebot geht es neben ganz praktischen Hilfen vor allen Dingen darum, die Kreativität in den Köpfen zu wecken und die Frage zu stellen: Wie kriegst du es hin, dass es für dich Sinn macht, dein Restaurant wieder aufzumachen? Und vielleicht ist die Anschaffung eines Dosenzumachers die Antwort.

Damit hast du Erfahrung, oder?

Tatsächlich, ja. (lacht) Als ich mein Restaurant hatte, war es bekannt für Dosenravioli. Und diese Dosennummer kann man eben auch mit gehobener Küche spielen. Da kommt dann ein Zettel mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum drauf, denn die Speisen sind nur ein oder zwei Tage haltbar, aber die Dose gibt dem ganzen einen Spaßfaktor.


Karl Romboy im Gespräch:

„Aufgeben will keiner“ – METRO Podcast

Klingt lustig. Aber das eigentliche Essen gehen bleibt davon ja unberührt. Wird das durch Corona mehr zum Luxus?

Ich glaube, dass viele Dinge mehr zum Luxus werden. Wenn ein Vermieter 30 Euro den Quadratmeter für einen Laden in A-Lage haben will, werden die Leute in Zukunft sagen: Das kann ich mir nicht leisten, behalt mal. Ich glaube auch, dass die gehobene Gastronomie davon stärker betroffen sein wird und ich hoffe sehr, dass sich viele Kollegen schnell davon überzeugen lassen, sich umzustellen, etwas Neues anzubieten und innovativ zu werden. Denn jetzt ist die Chance dafür da. Und es hat noch nie geschadet, sich zu überlegen, was man eigentlich noch kann.


Ich hoffe, dass viele Kollegen sich schnell davon überzeugen lassen, innovativ zu werden.

Karl Romboy

Wie steht es denn um Gastro-Gründungen unter den neuen Umständen?

Ich glaube, wer wirklich gründen will, tut es auch. Vielleicht wird es weniger geben, aber die, die kommen, werden mehr Innovation in den Markt reinbringen. Gute Konzepte, die sich verschiedenen Bedürfnissen anpassen können. Mit Entrepreneuren dahinter, die wissen, dass sowas wie jetzt passieren kann und die dafür gewappnet sind mit nachhaltig wirtschaftenden Geschäftsmodellen.


Was bedeutet der Umbruch in der Gastronomie für Unternehmen wie METRO, deren Hauptkundschaft sich jetzt neu erfinden muss?

Wir sitzen alle im selben Boot. Es hängen inklusive der Zulieferer wie uns 2,4 Millionen Arbeitsplätze an der Gastronomie. Sie ist einer der größten Arbeitgeber in Deutschland – nur in der Gastronomie arbeiten 1,5 Millionen Menschen – das sind so viele wie in der Autoindustrie und dem Bankensektor zusammen. Dass wir in der Gastronomie standortstabile Arbeitsplätze vergeben, wirklich regional gebunden sind und zur Kaufkraft und Lebensfreude in den Städten beitragen, wird zu oft vergessen. Ganz ehrlich, für mich kann es eine Welt ohne Autos geben – aber niemals eine Welt ohne Gastronomie.


Über ... Karl Romboy

Bevor Karl Romboy 2019 zu METRO Deutschland kam, betrieb er das Karl’s in Düsseldorf-Pempelfort. Seine Speisekarte war geprägt von exklusiver Küche mit heimischen Zutaten – Fleisch von regionalen Metzgern, Gemüse von regionalen Bauern und auch mal Zutaten aus dem eigenen Garten. Eines seiner bekanntesten Gerichte waren jedoch Dosenravioli – eine kreative Präsentationsidee für den hausgemachten Klassiker. Auch heute noch serviert das Karl’s diese Spezialität seines Gründers.

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