Danny Derbe betreibt das Gasthaus Zum Bierseidel sowie zwei weitere Lokale – ein Restaurant und eine Kneipe – in Berlin. Er trägt Verantwortung für 20 Mitarbeiter. Im Zuge von Corona hat Derbe mittlerweile alle drei Gastronomien geschlossen – und hofft, dass nach dem Ende der Ausnahmesituation sowohl Mitarbeiter als auch Gäste wiederkommen.
Danny, wie geht es dir und deinen Mitarbeitern aktuell?
Meine Mitarbeiter sind jetzt alle zu Hause und kümmern sich hoffentlich um Dinge, die sie schon längst mal machen wollten. Die vertrauen mir, dass ich sie natürlich sofort informiere, wenn es Neuigkeiten gibt. Nur ist es so: Mir fehlen selbst viele Informationen. Ob Überbrückungskredite oder andere Gelder – bisher ist eine Menge versprochen worden. Ich will auch nicht sagen, dass ich nicht glaube, dass da etwas passiert. Nur, wann und wo? Was braucht das jeweilige Institut von mir, damit ich den Antrag stellen kann? Die Frage ist, wie schnell und unkompliziert solche Dinge gehen können.
Wieso hast du dich entschieden, deine Läden zu schließen?
Wir sind leider nicht in einer so exponierten Lage, dass sich ein Abhol- oder Lieferservice lohnen würde. Zuerst habe ich das probiert – und einen Tagesumsatz von 50 Euro gemacht. Mit Blick auf verderbliche Ware, Energiekosten und auch Personal macht das keinen Sinn.
Ich bin aber auch noch jung und habe viele Ideen. Wenn die Dinge irgendwie absehbar werden, dann ist jedenfalls Energie da, damit es dann gleich nach vorne geht.
Danny Derbe, Zum Bierseidel, Berlin
Heißt das, dass du Mitarbeiter entlassen oder Kurzarbeit beantragt hast?
Das mit der Kurzarbeit ist ja gar nicht so einfach. Wer das noch nie gemacht hat, braucht auf jeden Fall einen Steuerprofi, der weiterhilft und unterstützt. Aber erstmal muss man die Mitarbeiter fragen: Ich habe einige, die lieber eine Kündigung möchten, weil sie mit Kurzarbeit bei mir auf 0 oder vielleicht 10 Stunden im Monat kommen. Diese Frage stelle ich jedem Mitarbeiter. Dann muss man zusammen entscheiden. Ich möchte das Beste für meine Mitarbeiter – weil ich sie alle wieder brauche, wenn ich in Zukunft wieder aufmache.
Wie fielen die Entscheidungen für den Moment aus?
Fünf wollten auf eigenen Wunsch die Kündigung haben. Fünf sind noch unentschieden. Der Rest, also die anderen zehn, möchten Kurzarbeit. Von allem etwas dabei.
Was bedeutet die aktuelle Situation für dich persönlich? Überlegst du dir schon Alternativpläne für das schlimmste Schreckensszenario?
Ja, natürlich stellen sich da große Fragen. Noch bin ich relativ entspannt. Auch, weil ich erstmal genug damit zu tun habe, die Läden hier am besten einzumotten – so, dass mir Waren nicht verderben, möglichst keine Einbrüche verübt und die Terrassenmöbel nicht zerstört oder geklaut werden. Erstmal die Sachen sichern und dann kommt der nächste Schritt. Es sind ja auch noch so viele Fragen offen, da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll. Mache ich mir jetzt einen Notfallplan für zwei Wochen, vier Wochen, acht Wochen, ein halbes Jahr? Ich bin aber auch noch jung und habe viele Ideen. Wenn die Dinge irgendwie absehbar werden, dann ist jedenfalls Energie da, damit es dann gleich nach vorne geht.
Stundung zum Beispiel – es gibt ja mehrere Möglichkeiten. Ich habe einen privaten Vermieter, der sofort eingeräumt hat, dass er auf einen gewissen Prozentsatz der Miete verzichten kann, ohne den er noch seine Kosten bestreiten kann. Super! Mit den anderen beiden Geschäften sind wir Mieter bei zwei großen Bundesbaugesellschaften. Da gibt es bisher keine Antworten. Wenn die zwei bis drei Monate auf die Gewerbemiete verzichten würden, wäre mir sehr geholfen. Der Posten ist nicht unerheblich.
Die Solidarität untereinander, die kann ich jedenfalls mit denen, mit denen ich zu tun habe, spüren. Da duckt sich keiner weg und denkt, dass die Konkurrenz vielleicht bald verschwunden ist.
Danny Derbe, Inhaber Zum Bierseidel, Berlin
Welche Erfahrung der letzten Wochen würdest du gerne mit anderen Gastronomen teilen?
Positiv finde ich, dass es unter den Gastronomen einen Zusammenhalt gibt, nicht so ein Denken: „Hauptsache ich.“ Die Informationen, die jeder hat, werden weitergegeben. Egal, ob es ein neues Formular oder sonst irgendwas gibt, es wird weitergeleitet, und es kommt dann auch etwas zurück. Die Solidarität untereinander, die kann ich jedenfalls mit denen, mit denen ich zu tun habe, spüren. Da duckt sich keiner weg und denkt, dass die Konkurrenz vielleicht bald verschwunden ist.
Hätte man sich auf so einen Fall irgendwie vorbereiten können?
Nein, darauf konnte man sich nicht vorbereiten. Es ist ja schwer genug, mit Gastronomie Geld zu verdienen – übers Jahr. Manche haben Saisongeschäft, aber mal haben wir keinen Sommer oder keinen richtigen Winter. Dann gibt es immer wieder Gesetze und Verordnungen. Was im Hotel- und Gaststättenwesen gebraucht würde, sind die 7 % Mehrwertsteuer. Das wäre etwas, was man vielleicht nach so einer Krise nochmal neu bewerten sollte.
Ist die aktuelle Krise demnach ein Weckruf?
Gar keine Frage. Ich glaube, viele Gastronomen, die ihr Geschäft mit Herz und Schweiß betreiben, die werden wieder aufstehen. Aber einige werden auch sagen: „Es reicht mir! Wir haben die Schnauze voll. Wir haben lange gekämpft, um Geld zu verdienen, aber jetzt gehen wir in Rente und es ist Feierabend.“ Da ist die Politik gefragt. Ein anderes großes Problem: Die Gastronomie ist ein absoluter Arbeitnehmermarkt. Wir sind alle froh, wenn wir Hände kriegen, aber es bedarf auch eines Kopfes. Jeder hat einen Sechser im Lotto, der gutes Personal hat und eine geringe Fluktuation.
Du baust also auf deine Mitarbeiter?
Klar. Die, die zu ihrem Laden eine gewisse Loyalität haben, sind das A und O. Wenn die nach dieser Krise nicht mehr zurückkommen, dann ist mein Geschäft nicht mehr dasselbe wie vorher, obwohl es von außen genauso aussieht.