„Unsere Branche ist überhaupt nicht krisenfest“

Buchhandlung ohne Gastro. Wir haben mit Fridolin Taudtmann über die Auswirkungen der Corona-Krise auf sein Geschäft gesprochen.

Buchkantine Fridolin

Fridolin, wann hast du gemerkt, dass die Lage ernst wird?

Als unsere Umsätze Ende Februar zwei Wochen am Stück rückgängig waren, habe ich mir schon gedacht, dass es andere Gründe hat als das Wetter. Ende Februar tauchte ja auch der erste deutsche Infektionsfall in der Berichterstattung auf – da hat die Angst der Menschen zugenommen und bei uns in der Buchkantine ist es spürbar ruhiger geworden. Vor etwa zwei Wochen wurden dann ganze Geschäftszweige geschlossen und es gab neue Auflagen und Regelungen – jetzt kann ich sagen, dass die Lage bei uns im absoluten Alarmbereich ist, was die Umsätze angeht.

Wir sind seit 15 Jahren am Markt und können die Gehälter und alle Kosten wenigstens für diesen Monat stemmen – aber was ist mit den anderen, die das nicht schaffen?

Fridolin Taudtmann, Inhaber der Buchkantine, Berlin

Welche Konsequenzen hatten der Umsatzrückgang und die gesetzlichen Auflagen für dein Geschäft?

Ich habe mich sehr schnell von allen Mitarbeitern, die in der Probezeit waren – das sind etwa ein Drittel gewesen – getrennt. Die restlichen Mitarbeiter habe ich in die Kurzarbeit überführt. Diese Gespräche machen keinen Spaß, denn die 60 beziehungsweise 67 Prozent des Nettogehalts sind in der Gastronomie nicht viel. Die Trinkgelder fallen weg, diese sind nicht sozial abgesichert. Wir haben alles in Anspruch genommen, was irgendwie geht. Haben die Krankenkassenzahlungen angepasst und Stundungen beim Finanzamt beantragt, Zahlungen an die BGN storniert. Die Anträge sind in der Post, aber wann sie bearbeitet sein werden, wissen wir nicht. In Berlin leben 3,7 Millionen Menschen, davon sind etwa 15.000 Gastronomen. Man kann sich vorstellen, wie es jetzt in den Ämtern zugeht. Wir sind seit 15 Jahren am Markt und können die Gehälter und alle Kosten wenigstens für diesen Monat stemmen – aber was ist mit den anderen, die das nicht schaffen?

Hattest du Unterstützung bei den ganzen Anträgen?

Ja, unser Steuerbüro hatte sehr viele Informationen. Die sitzen in Nordrhein-Westfalen, wo es ja schon ein paar Wochen früher losging. Wir haben auch mit unserer Bank bezüglich der ganzen Fonds gesprochen, bei denen man jetzt Unterstützung beantragen kann. Aber viele Informationen mussten wir uns mühsam selbst zusammensuchen. Es gab am Anfang keine Seite, die gebündelt und verständlich erklärt, was ein Gastronom, der durch die aktuellen Auflagen in finanzielle Not geraten ist, tun muss, um schnell Hilfe zu bekommen.

Wie hat dein Team auf die Sache reagiert?

Die stehen zu hundert Prozent hinter mir und das, obwohl nichts von dem, was ich ihnen in den letzten Wochen mitgeteilt habe, schön war. Sie haben mir den Rücken freigehalten, damit ich mich um die ganzen Ämterangelegenheiten kümmern konnte und haben den Laden am Laufen gehalten bis zur Schließung. Ich wusste schon immer, dass ich ein großartiges Team habe. Aber ihre Reaktion auf das alles hat es mir nochmal sehr deutlich gezeigt.

Was beschäftigt dich im Moment am meisten?

Dass ich nicht weiß, wie es weitergeht und wie lange die Situation anhält. Ich muss die Liquiditätsplanung für 2020 machen und es ist schwer abzusehen, wie meine Umsätze aussehen werden. Ich weiß nicht, wie das Kaufverhalten der Leute danach sein wird.

Ich hoffe sehr, dass die Banken und Ämter genau prüfen, wer vorher schon am wanken war und wer gut gewirtschaftet hat. Und dass diejenigen gut behandelt werden, die wirklich nichts für ihr Scheitern können, weil es eben nur auf die Pandemie zurückzuführen ist.

Fridolin Taudtmann, Inhaber der Buchkantine, Berlin

Wie denkst du, wird sich die Gastronomie-Landschaft verändern nach der Corona-Krise?

Viele werden sich fragen, ob sie danach noch weitermachen. Es gibt wesentlich einfachere und sicherere Wege, Geld zu verdienen als in der Gastro. Einige werden sich fragen, ob sie nochmal so viele Angestellte brauchen, oder ob sich ihr Betrieb nicht kleiner und effizienter halten lässt. Ich glaube auch, dass es sich zeigt, dass sich ein zu schnelles Wachstum – finanziert durch aberwitzige Summen an Risikokapital – rächt. Es ist davon auszugehen, dass solche Geschäftsmodelle, die lange Zeit nicht rentabel sind, in Zukunft weniger zu sehen sein werden – oder es zumindest schwerer sein wird, diese zu finanzieren.

Was bräuchte die Gastronomie deiner Meinung nach, um sich wieder zu erholen, wenn alles vorbei ist und sie ihre Arbeit wieder aufnehmen können?

Zuschüsse. Keine Wahnsinnsunternehmungen mit Investitionsbanken, die letztendlich doch alle in Krediten münden. Davon werden die kleinen Restaurants und Cafés nichts haben, denn sie werden diese kaum zurückzahlen können. Es geht hierbei ja nicht um Investitionen in Wachstum – es geht einfach um verbranntes Geld. Dass es trotzdem nicht alle schaffen werden, ist klar. Ich hoffe sehr, dass die Banken und Ämter genau prüfen, wer vorher schon am wanken war und wer gut gewirtschaftet hat. Und dass diejenigen gut behandelt werden, die wirklich nichts für ihr Scheitern können, weil es eben nur auf die Pandemie zurückzuführen ist.

Siehst du auch Chancen in der Krise?

Die Chance, sich neu aufzustellen und Prozesse zu hinterfragen. Wir haben feststellen müssen, dass unsere Branche überhaupt nicht krisenfest ist. Wir sind nicht BMW oder die Lufthansa. Und selbst die strauchelt. Ich hoffe, dass ein größerer Druck hinter der Diskussion um eine Anpassung der Umsatzsteuersätze von 19 auf 7 Prozent entsteht. Ich für meinen Teil bereite mich jetzt schon vor für den Tag danach. –Denn der wird kommen. Ich arbeite an einer neuen Speisekarte und hoffe sehr, dass wir alle mit einem oder zwei blauen Augen davonkommen werden. Die Gastrowelt hat sich nun verändert, vielleicht ist es auch eine Chance für die Kleinunternehmer, die diese Krise überstehen, sich neu und stärker am Markt zu behaupten – gerade wenn große Systemgastronomen Marktanteile verlieren.

Soforthilfen für die Gastronomie

Hier geht es zu den Infos zu den staatlichen Hilfen für Gastronomen in der Corona-Krise.

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