Kann ein Bot besser wissen, was man braucht als man selbst?

Jede Woche stehen wir vor den gleichen Entscheidungen: Gurke oder Tomate? Preiswert oder Bio? Was aber, wenn uns bald individualisierte Software beim Einkauf unterstützt? Lernfähige Computer-Assistenten, so genannte Bots, schicken sich an, unser Konsumverhalten zu verändern.

Bauch oder Bot Titelbild

Der Kunde ist König, und es wird nach allen Regeln der Kunst um seine Aufmerksamkeit gerungen. Mit von Food- und Fashion-Designern dekorierten Schaufenstern und Malls. Und mit Advertising auf Hollywood-Niveau. Doch was passiert, wenn nicht mehr Menschen, sondern Maschinen die finale Kaufentscheidung treffen? Bots, also datenbankbasierte, lernfähige Computerprogramme, sollen uns schon bald beim Kauf von Produkten und Dienstleistungen helfen. Im Smartphone integriert könnten die auf unsere Wünsche und Vorlieben trainierten Assistenten etwa selbstständig Lebensmittel in die Wohnung ordern und auf Zuruf, also per Sprachsteuerung, Zug- und Flugreisen buchen.

Der Experte Yoav Barel

"Schon in drei bis fünf Jahren werden Bots die Service-Apps von heute ersetzen und unsere gewohnten Konsummuster auf den Kopf stellen", prognostiziert Yoav Barel, CEO des internationalen Chatbot Summit
© Niv Kantor

"Social-Media-Plattformen entschiedend für Bots"

"Social-Media-Plattformen entscheidend für Bots"

Die Web-Plattformen mit dem größten Alltagsnutzen werden sich laut des Experten aus Tel Aviv auch bei der Verbreitung von konsumrelevanten Bots durchsetzen. "Messenger wie Whatsapp und Facebook spielen sicherlich die entscheidende Rolle", betont Barel mit Verweis auf die rund 2 Milliaden Menschen, die Social-Media-Kanäle im Jahr 2018 nutzen sollen. Wie die Zusammenarbeit mit Facebook aussehen kann, zeigt zum Beispiel Lufthansa mit dem Chatbot "Mildred". Das textbasierte Dialogsystem lässt sich in den Facebook-Messenger integrieren und hilft Passagieren bei der schnellen Buchung von Flügen - automatisierte Beratung zu den günstigsten Angeboten inklusive. Auch die in den Messenger integrierbaren Bots des Blumen- und Geschenke-Versands 1800 Flowers und der Kosmetikkette Sephora zeigen bereits eindrücklich, welches Potential die neue Technologie für das Einkaufserlebnis der Zukunft mit sich bringt.

Bauch oder Bot Suessigkeiten

Was passiert, wenn nicht mehr Menschen, sondern Maschinen, die finale Kaufentscheidung treffen?
© Tara Moore/Getty Images

"Marken müssen früher überzeugen"

"Marken müssen früher überzeugen"

Der Erfolg der Bots basiert vor allem auf Fortschritten in der datengestützten Verarbeitung von natürlicher Sprache, dem Natural Language Processing. Egal, ob schriftlich wie bei Chatbots oder per Spracheingabe wie bei Apples Assistenten "Siri" kommuniziert wird: Es geht darum, dass die Maschine die Absicht des menschlichen Benutzers so genau wie möglich identifizieren und selbstständig Handlungen ableiten kann.

Wenn ausgereifte Bots also bald unser Konsumverhalten unterstützen, müssten sie auch als neue Zielgruppe für Marketing und Brandbuilding verstanden werden, sagt Yoav Barel. "Marken müssen künftig noch früher überzeugen, also im besten Fall bevor der Mensch seinen Bot trainiert. Ebenso wichtig sind neue digitale Werbe-Strategien, die speziell auf Bots zugeschnitten sind." Denn, so Barel, jeder Mensch ist anders - und jeder Bot am Ende auch. Der eine kauft seine Tomaten ausschließlich bio und regional, der andere sucht ganzjährig einfach nur die günstigsten. Ein Dritter verzichtet allergiebedingt ganz darauf und bestellt stattdessen immer freitags: Gurke.



Aufmacherbild: © Tara Moore/Getty Images

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