Nachhaltig gegen Fachkräftemangel – (wie) geht das?

Die Gastronomiebranche als Sehnsuchtsort? Aber ja! Wichtige Impulse gegen den seit Jahren wachsenden Fachkräftemangel will das Umwelt-Bildungszentrum Berlin geben. Und setzt dabei sprichwörtlich auf nachhaltige Ausbildung der Fachkräfte von morgen.

Foto: Jan Voth

„Mitarbeiter gesucht!“ Wer wachsamen Auges durch die Straßen zieht, wird sie bereits seit einiger Zeit bemerkt haben: Die Aushänge an den Türen und Fenstern der Gastronomien, die unsere Innenstädte als kulinarische Treffpunkte beleben. Überall fehlen Fachkräfte, im Service, in der Küche, im Management.

Im 2. Pandemiejahr ist der Fachkräftemangel zu einer drängenden Herausforderung für die Gastronomiebranche geworden, die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist seit Beginn der Corona-Krise gesunken. Spätestens jetzt sind gute Ideen gefragt, die wieder Lust auf das Berufsfeld Gastronomie machen. Eine dieser guten Idee ist das Konzept des Umwelt-Bildungszentrums Berlin.

Platz 2 beim METRO Preis für nachhaltige Gastronomie

Petra Zafisambondaoky und Lena König, Ausbilderinnen am Umwelt-Bildungszentrum, freuen sich. „Für uns ist das hier nicht nur ein Job, sondern ein echtes Herzensprojekt.“ Das Umwelt-Bildungszentrums Berlin schaffte es im Finale des METRO Preis für nachhaltige Gastronomie Anfang Dezember 2021 auf das Siegertreppchen. Die Begründung der Jury für ihren 2. Platz: Das Zentrum setze deutliche Impulse für die Zukunft der Gastronomie. Es bilde den für die Branche dringend benötigten Nachwuchs aus, lege dabei einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit und sei somit ein wichtiger Multiplikator in die Küchen der Gastro-Betriebe.

Eine Auszeichnung, die die beide Ausbilderinnen strahlen lässt, denn sie lieben was sie tun, am äußersten Rand Berlins, umgeben von einem Naturschutzgebiet an der Havel. „Zu uns kommen Menschen mit den verschiedensten Hintergründen. Zum Teil mit Gastroerfahrung, aber auch Quereinsteiger aus ganz anderen Berufsfeldern. Langzeitarbeitslose sind ebenso dabei wie Menschen aus dem offenen Vollzug und Leute mit Leidenschaft für das Kochen“, erklärt Zafisambondaoky. „Die meisten (Um-)Schüler beenden bei uns auch erfolgreich ihre Ausbildung“, berichtet sie stolz.

Eröffnet hatte das umgebaute Hotel bereits 2014. Fokus des Zentrums, das auch Tagungshotel und Eventlocation mit Catering Betrieb ist, liegt auf der Umschulung und Weiterbildung für Gastronomie und Hotellerie, und das mit einem vegetarischen Schwerpunkt.

© Jan Voth

Viele Jahre Gastronomieerfahrung

Zafisambondaoky hat selbst am Zentrum gelernt und als selbständige Catering-Unternehmerin zur Köchin umgeschult. Mit madagassischem Schwerpunkt, denn ihr Mann stammt aus Afrika und hat sie kulinarisch inspiriert. Nun ist sie Ausbilderin und Lehrgangskoordinatorin der Einrichtung. Ihre Kollegin Lena König, Ausbilderin und Küchenleitung, blickt mit ihren 36 Jahren bereits auf 20 Jahre Berufserfahrung in der Branche zurück: Ausbildung zur Köchin, Diplomabschluss zur Hotelkauffrau. Gehobene Gastronomie auf den Jersey-Kanalinseln, Graz, Berlin – sogar in der TV-Show „The Taste“ hat die Chefköchin gekocht. Beide Frauen wissen, was es bedeutet in der Gastronomie tätig zu sein.

„Die generellen Arbeitsbedingungen sind einfach hart: Randarbeitszeiten, die oft geringe Bezahlung für die harte körperliche Arbeit. Zudem ist der Umgang in vielen Betrieben oft extrem rau und die Bereitschaft der Gäste, Dienstleistungen und Lebensmitteln angemessen zu bezahlen, immer noch zu niedrig“, so Lena König. Ihre Erfahrungen decken sich mit den Umfrageergebnissen der DEHOGA, die die Entwicklungen der Branche seit dem Pandemiegeschehen intensiv beobachtet.

Keine Lust auf Gastronomie?

Die Nachwuchsprobleme existierten schon vor der Pandemie und machten die Fachkräftesicherung in der Branche zur Herkulesaufgabe. Und jetzt: Nach 2 Jahren Pandemie ist die Gastronomie für viele erst recht kein Sehnsuchtsort. Auf der anderen Seite ergriffen auch während der Krise viele Gastro-Neueinsteiger die Chance sich auszuprobieren. Sie gründeten mit kreativen Gastro-Konzepten, die nicht auf die typische Laufkundschaft vor Ort angewiesen sind. Laut DEHOGA gab es 2021 mehr Gewerbeanmeldungen als -abmeldungen, wenn auch die Zahlen insgesamt unter Vorjahresniveau lagen. Aussichtsreich sind, so die Experten der Unternehmensberatung McKinsey vor allem Restaurants und Cafés, die dem Trend zu mehr Nachhaltigkeit folgen. Das Thema hat - dank des sich veränderten Konsumverhaltens in der Pandemie - für die Gastronomiebranche einen hohen Stellenwert erreicht.

Nachhaltig ausbilden

Hier schließt sich der Kreis zum Umwelt-Bildungszentrum – denn mit seinem Ausbildungsschwerpunkt setzt es genau hier an: dem Anspruch, die Gastrobranche und ihren Nachwuchs – im doppelten Sinn – nachhaltig auszubilden. Die Programmteilnehmer bekommen hier mehr als nur die üblichen Gastronomie-Grundlagen und ein paar Tipps und Tricks mit auf den Weg. Vielmehr geht es darum, nachhaltiges Wissen rund um Lebensmittel ebenso zu vermitteln, wie Wertschätzung für den Beruf. Die Themen Selbstversorgung und bewusster Zutateneinkauf stehen ebenso auf der Agenda wie bei den Auszubildenden die Leidenschaft für Bio, Regionalität und Saisonalität zu wecken. Azubis lernen in der hauseigenen Tagungs- und Cateringküche, eigene Ideen und Kreativität sind dabei ausdrücklich erwünscht. Die Umschulung dauert in der Regel 2 Jahre, einzelne Weiterbildungsmodule gehen über 8 Wochen.

Politik und Gesellschaft sind gefragt

Doch allein durch ihr nachhaltiges Konzept lässt sich kein langjähriger Fachkräftemangel lösen, darüber sind sich auch Petra Zafisambondaoky und Lena König im Klaren. Grundlegend seien Gesellschaft und Politik gefragt, um die Gastronomie als attraktiven Arbeitgeber zu etablieren – insbesondere jetzt, nach 2 Jahren Pandemiebetrieb, finden die beiden Frauen. „Nötig sind beispielsweise finanzielle Zuschläge für Schicht- und Wochenendarbeit, ein respektvolles Miteinander in den Betrieben und die Möglichkeit für Mitarbeiter Arbeit und Privatleben kontinuierlich vereinbaren zu können“, so Lena König. Auch für ihre Schützlinge haben sie einen essenziellen Ratschlag: Das A und O für den Erfolg der Ausbildung, aber auch später im Berufsleben sei aus ihrer Sicht ganz klar die persönliche Motivation. Ohne Überzeugung und Leidenschaft für die Gastronomie sei es schwer in der Branche zu bestehen.

METRO Preis für nachhaltige Gastronomie

Seit 2019 schreibt METRO Deutschland jährlich den METRO Preis für nachhaltige Gastronomie aus und ehrt damit Gastronomiebetreibende in ganz Deutschland, die mit viel Engagement und Kreativität nachhaltige Gastro-Konzepte in ihrem Betrieb umsetzen – und die somit auch eine Inspiration für viele unabhängige Gastro-Unternehmer werden.

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