timer3 minAugust 2021

Bio-Produkte genießen einen guten Ruf. Aber haben die umweltschonend produzierten Waren wirklich immer die Nase vorne, etwa in Sachen Geschmack, Gesundheit und Nachhaltigkeit? MPULSE schafft Durchblick im Öko-Dschungel.

Bio boomt: Im Jahr 2020 lag der Umsatz mit ökologisch produzierten Waren in Deutschland bei rund 15 Mrd. € – das sind rund 22 % mehr als im Vorjahr, berichtet der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Zu den Verkaufshits gehörten Fleisch sowie Obst und Gemüse. Auch international stehen die Zeichen auf Wachstum: Im Jahr 2019 investierten die Europäer im Durchschnitt 8 % mehr Geld für Bioprodukte als im Vorjahr.

Laut Ökobarometer 2020 sind für deutsche Verbraucher 3 Gründe für den Kauf von Bio-Lebensmitteln ausschlaggebend: eine artgerechte Tierhaltung, möglichst naturbelassene Lebensmittel sowie Regionalität. Außerdem wünschen sich die Befragten eine gesunde Ernährung, weniger Zusatzstoffe und weniger Rückstände von Pflanzenschutzmitteln.

Lieblingsquellen der Bio-Fans

Die meisten Konsumenten – nämlich 68 % – kaufen ihre Bio-Produkte im Supermarkt, gefolgt von Discounter, Wochenmarkt, Bio-Supermarkt, Hofladen und Naturkostladen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie von PricewaterhouseCoopers (PwC).

Der Handel bietet ökologisch produzierte Ware oft als Eigenmarke an. Beispielsweise führt METRO weltweit mehr als 500 Bio-Produkte als Eigenmarke im Sortiment – davon entwickelte der Großhändler 100 Artikel international und 400 regional. „Da unsere Eigenmarken lokale Besonderheiten abbilden, unterscheidet sich die Zahl der Bio-Produkte von Land zu Land“, berichtet Jens Bresler, Head of Own Brands Hospitality & Packaging. „In jedem Fall sind die Artikel genau auf die Bedürfnisse unserer Kunden abgestimmt und werden gemeinsam mit Gastronomen und Händlern konzipiert. So kommen ständig neue Artikel hinzu, da wir um die steigende Bedeutung von Bio-Produkten in der HoReCa-Branche wissen.“

Karotten

Orientierung im Wörter-Wirrwarr

Äpfel

Wer Bio-Waren kaufen will, steht vor einer Vielfalt unterschiedlicher Begriffe – von „naturnah“ über „umweltgerecht“ bis hin zu „unbehandelt“. Allerdings gilt: Als „Öko" oder „Bio" dürfen laut EU-Vorgaben nur Lebensmittel bezeichnet werden, die den Mindeststandards des ökologischen Landbaus entsprechen. Die betreffenden Produkte tragen das EU-Bio-Siegel auf der Verpackung – ein stilisiertes Blatt auf grünem Hintergrund. Nach vorheriger Registrierung und für bestimmte Produkte können Erzeuger das sechseckige deutsche Bio-Siegel ebenfalls freiwillig ergänzen. Zentrale Merkmale sind bei beiden Logos der Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger sowie eine möglichst artgerechte Tierhaltung.

Darüber hinaus gibt es viele weitere Labels, beispielsweise von ökologischen Anbauverbänden wie Bioland oder Demeter, die in einigen Punkten strengere Anforderungen stellen als der EU-Bio-Standard. Weltweit ist vor allem das „Organic“-Siegel relevant, vergeben vom amerikanischen Landwirtschaftsministerium. Die Ökostandards der USA und der EU werden von beiden Seiten als gleichwertig anerkannt. Allerdings gibt es Unterschiede, beispielsweise sind Antibiotika in der ökologischen Nutztierhaltung in den USA untersagt, während sie in Europa unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt sind, beispielsweise wenn alternative Therapien erfolglos bleiben. PricewaterhouseCoopers (PwC) kommt zu dem Ergebnis: 55 % der Bundesbürger vertrauen Öko-Gütesiegeln – was umgekehrt bedeutet, dass fast jeder Zweite skeptisch ist.

Fit dank Öko-Food?

Viele Verbraucher setzen auf Bio, weil ihnen eine gesunde Ernährung wichtig ist. Aber sind die Öko-Produkte wirklich besser für Körper und Geist? Einiges spricht dafür, meint etwa das Bundeszentrum für Ernährung (BZFE) und verweist darauf, dass die Waren vergleichsweise gering mit Pflanzenschutzmitteln belastet sind. Hinzu kommt: „Weil sie weniger Wasser enthalten, stecken in Bio-Äpfeln, -Kartoffeln und Co. mehr Nährstoffe. Außerdem liefern sie tendenziell mehr Vitamin C und sind deutlich reicher an sekundären Pflanzenstoffen (Antioxidanzien), die vor Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen.“

Doch viele Studien kommen zu anderen Ergebnissen. So fand beispielsweise eine Untersuchung der Universität Stanford keinen deutlichen Nachweis dafür, dass biologische Lebensmittel nährstoffreicher sind oder ein geringeres Gesundheitsrisiko bergen. Auch die Stiftung Warentest meint: „Es ist nicht eindeutig bewiesen, ob Biokost gesünder ist.“ Letztlich ist ein ausgewogener Speiseplan entscheidend, so das Wissenschaftsmagazin „Quarks“: „Generell ist eine Ernährung mit viel Obst und Gemüse der Gesundheit zuträglicher, als allein auf Bioprodukte zu setzen. Übrigens: Statt sich vor Pestizidrückständen im Essen zu fürchten, sollte man das Augenmerk auf Bakterien und Pilze richten: Dafür sind Bioprodukte genauso anfällig wie konventionelle Lebensmittel.“

Kartoffeln

Reine Geschmackssache

Tomanten

Die Geister scheiden sich auch bei der Frage: Schmeckt Bio besser? Viele Konsumenten schwören auf das Aroma von Öko-Apfel und Co. Das BZFE meint: „Weil Biobauern auf leicht lösliche Synthetik-Dünger verzichten, wachsen Obst und Gemüse etwas langsamer. Schöner Nebeneffekt: Es enthält bis zu 20 % weniger Wasser, schmeckt darum oft intensiver und hat eine bessere Textur.“

Dagegen zeigte sich bei Blindverkostungen der Stiftung Warentest: „Produkte mit Bio-Logo schmecken genauso gut oder mittel¬mäßig wie die ohne.“ Die Tester ermittelten in beiden Produktgruppen sehr Schmackhaftes: bei den Bio-Lebensmitteln überzeugten beispielsweise schwarze Oliven und Schinken, bei konventioneller Ware unter anderem junger Gouda und geräuchertes Forellenfilet.

Alles nachhaltig, oder was?

Zumindest in puncto Umwelt und Klimaschutz dürfte Bio die Nase vorne haben, oder? Für viele Experten ist klar: Der Öko-Landbau verringert die Nitratbelastung von Gewässern und Grundwasser. Außerdem fördern Bio-Bauern durch u.a. die organische Düngung und wechselnde Fruchtfolge die Humusbildung und die Fruchtbarkeit des Bodens. Nicht zuletzt sind Öko-Flächen artenreicher: Integrierte Hecken, Tümpel und Streuobstwiesen bieten Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere.

Aber es gibt auch Widerspruch. So stößt etwa der Einsatz von Kupfer als Pflanzenschutzmittel im Öko-Landbau auf Kritik. Oder die Standards für die Tierhaltung: Beispielsweise gibt es für das EU-Bio-Siegel keine konkreten Vorgaben für Tiertransporte. Ein weiteres Beispiel: Eine britische Studie vergibt Minuspunkte in Sachen Klimaschutz. Danach würde eine Umstellung auf 100 % ökologischen Landbau in Großbritannien zu einem Anstieg der CO2-Emissionen führen. Denn aufgrund der geringeren Produktivität des Bio-Anbaus müssten unter Umständen mehr Nahrungsmittel importiert werden, was den Ausstoß an Treibhausgasen in die Höhe treiben würde. Und wegen der unter Umständen geringeren Erträge benötigt Biolandbau zudem teils mehr Fläche.

Avocado

Fazit: Bio boomt, aber die Meinungen in Sachen Gesundheit, Geschmack und Nachhaltigkeit gehen auseinander. Sowohl biologische als auch konventionelle Produkte weisen von Fall zu Fall Stärken und Schwächen auf. Fakt ist: Der Bio-Trend zeigt, dass Konsumenten zunehmend Wert auf die Herkunft, den Anbau und die Qualität von Lebensmitteln legen – und Wertschätzung für Nahrung und ihre Produktion ist in jedem Fall wichtig.

Info
Schon gewusst? 6 Fakten über Bio-Lebensmittel

1. Geringer Marktanteil

Trotz steigender Nachfrage liegt der Bio-Anteil im Gesamtmarkt für Lebensmittel in Deutschland bei nur 6,4 %.

2. Grenzenloses Wachstum

In ganz Europa wurden 2019 Bio-Lebensmittel im Wert von 45 Mrd. € gekauft, in Ländern wie Frankreich, Spanien und Dänemark wächst der Biomarkt zweistellig.

3. Jubiläum fürs Bio-Siegel

Am 5. September 2021 wird das sechseckige deutsche Bio-Siegel 20 Jahre alt.

4. Ausgezeichnete Vielfalt

Mehr als 93.00 Produkte und mehr als 6.000 Unternehmen tragen das nationale staatliche Bio-Siegel.

5. Bio-Bauern im Aufwind

In Deutschland gab es 2020 insgesamt 35.413 Bio-Höfe. Das sind rund 13,4 % aller Landwirtschaftsbetriebe.

6. Mehr Fläche angestrebt

Ziel der Bundesregierung ist es, den Anteil der ökologischen Anbaufläche von heute rund 10 % bis 2030 auf 20 % auszuweiten.