Wie viel Mehrwertsteuer für die Gastronomie soll es sein?

Mehrwertsteuer für die Gastronomie: Ein kontrovers diskutiertes Thema, spätestens seitdem Deutschland in der Coronapandemie den Satz von 19 % auf 7 % senkte. Während Befürworter die reduzierte Mehrwertsteuer als berechtigte und angemessene Maßnahme beurteilen, sehen Kritiker ein wirtschaftliches Risiko und fordern die Rückkehr zum regulären Steuersatz.

Mehrwertsteuer: Bleiben es 7 %?

Die Mehrwertsteuersenkung ist weit mehr als eine Steuerreduktion: Sie ist ein Zeichen der Wertschätzung und ein Lichtblick für die Zukunft. Ein Beitrag der METRO AG.

👉 METRO Politics: Faire Besteuerung auf Speisen und Getränke – Gastro braucht die versprochenen 7 Prozent

Mehrwertsteuer: Bleiben es 7 %?

Worum geht´s?

  • Vergleich der Mehrwertsteuer für die Gastronomie in EU-Ländern
  • Mögliche Auswirkungen einer Mehrwertsteuererhöhung auf das Gastgewerbe
  • Situation in Deutschland: 19% oder 7% Mehrwertsteuer?
  • Forderungen nach einer dauerhaften Senkung der Mehrwertsteuer

Ein Blick in europäische Nachbarländer zeigt: Die Steuersätze zur Mehrwertsteuer für die Gastronomie sind unterschiedlich geregelt. Aber im Gegensatz zu Deutschland unterscheiden 23 Staaten der Europäischen Union (EU) steuerlich nicht zwischen dem Essen aus dem Handel, der Lieferung von Essen, dem Essen im Gehen oder Stehen und dem Essen im Restaurant. In diesem Fakt sieht Martin Behle, Chief HoReCa Officer der METRO AG, bereits ein grundlegendes Problem: „Wenn ich Speisen in einem Restaurant nach Hause mitnehme, gelten 7 % Mehrwertsteuer. Möchte ich mich aber im Lokal hinsetzen, sollen es 19 % sein“. [Quelle] Auch der Präsident des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, Guido Zöllick, kommt zu dem Schluss: „Die 7 % Mehrwertsteuer und damit die längst überfällige Gleichbehandlung von Essen, egal wo und wie zubereitet und verzehrt, müssen bleiben. Dauerhaft“ [Quelle].

Welchen Steuersatz erheben EU-Mitgliedsstaaten für die Gastronomie?

Während Deutschland vor der Pandemie den Normalsatz von 19 % für die Gastronomie erhob, senkte die Bundesregierung diesen pandemiebedingt vorübergehend auf 7 %. Die Übergangslösung greift bis Ende 2023 und soll laut Gesetz Anfang 2024 aufgehoben werden. Zahlreiche Stimmen, vor allem aus der Gastronomiebranche, erheben sich gegen die Rückkehr zum Normalsatz, während Kritiker für die Rückkehr plädieren. Stellt sich die Frage: Welches Modell ist angebracht? Anregungen gibt ein Vergleich der Mehrwertsteuersätze in EU-Mitgliedstaaten.

Was ist die Mehrwertsteuer?

Die Mehrwertsteuer (MwSt.) ist eine Verbrauchsteuer, die auf nahezu alle Waren und Dienstleistungen erhoben wird, die zur Verwendung oder zum Verbrauch innerhalb der EU gekauft und verkauft werden. Obwohl es EU-weit geltende allgemeine Vorschriften zur Mehrwertsteuer gibt, ist ihre Anwendung in den EU-Ländern nicht vollständig einheitlich geregelt.

Jedes Land definiert einen Normalsatz, der für die meisten Umsätze gilt. Dieser darf nicht unter 15 % liegen. Auf den Verkauf bestimmter Güter und die Erbringung bestimmter Dienstleistungen können die Länder einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden, die 5 % nicht unterschreiten dürfen.

Welche EU-Länder gewähren eine reduzierte Mehrwertsteuer?

Mit derzeit 23 der EU-Mitgliedsstaaten erhebt ein Großteil eine reduzierte Mehrwertsteuer für die Gastronomie, darunter beispielsweise Spanien, Italien und Griechenland. Sie setzen um, was Gastronomen in Deutschland fordern. Gastronomin Kerstin Rapp-Schwan betont: „Auch, wenn die Mehrwertsteuer in der Pandemie reduziert wurde, die Forderung danach gibt es bereits seit über 20 Jahren .“[Quelle]

Die geringste Differenz zwischen dem reduzierten Steuersatz für die Gastronomie und dem Normalsatz weisen mit 10 % Frankreich, Portugal, Österreich, Zypern, Rumänien, die Slowakische Republik und Finnland auf. Den niedrigsten Satz hat Luxemburg mit 3 % Mehrwertsteuer für die Gastronomie im Vergleich zum Normalsatz von 16 %, gefolgt von Ungarn mit 5 % (Normalsatz: 27 %) und eben derzeit Deutschland mit
7 % (Normalsatz: 19 %). Es gibt aber auch Mitgliedstaaten, die nicht zwischen dem Normalsatz und dem Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie unterscheiden. Dazu gehören: Dänemark, Malta, Lettland und Estland.

19 oder 7 % Mehrwertsteuer: Wie entscheidet Deutschland?

Kehrt Deutschland zum Normalsatz zurück, so schließt es sich der Minderheit der EU-Mitgliedstaaten an, die der Gastronomie keinen reduzierten Steuersatz gewähren. Die Tendenz geht in der EU jedoch klar dahin, die Branche mit einem reduzierten Steuersatz zu entlasten. Die Gründe hierfür sind vielfältig.

Betrachten wir Stimmen aus Deutschland, die sich für eine dauerhafte Senkung des Steuersatzes aussprechen. Allen voran der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga, der im Falle von einer Mehrwertsteuererhöhung für die Gastronomie von rund 12.000 Betriebsschließungen ausgeht. Diese Annahme basiert auf einer Umfrage des Dehoga-Bundesverbands zu den Folgen einer Mehrwertsteuererhöhung für Speisen in der Gastronomie, an der 9.600 gastwerbliche Betriebe aus ganz Deutschland teilnahmen. Um die Dringlichkeit der Beibehaltung des reduzierten Steuersatzes zu unterstreichen, lässt der Dehoga Bundesverband Gastronomen in Videos zu Wort kommen. So auch Axel Bode, Inhaber des Restaurants Witwenball in Hamburg, und Michael Steiger, Betreiber mehrerer Irish Pubs in Villingen, Schwenningen und Tuttlingen. Bode führt an: „Wir zahlen nicht nur die Umsatzsteuer, die unbedingt bei 7 % bleiben, muss für Speisen und eigentlich auch für Getränke. Wir zahlen zudem noch Gewerbesteuer, Einkommensteuer und vieles mehr und sorgen dafür, dass die Innenstädte lebendig bleiben.“ Auch Steiger betont die Wichtigkeit von gastronomischen Betrieben für die Menschen, die Städte und die Dorfgemeinden: „Wir sind der Klebstoff unserer Gesellschaft.“

Steigen die Preise mit der Mehrwertsteuererhöhung?

Findet die geplante Rückkehr zum regulären Steuersatz Anfang 2024 statt, werden Speisen mit weiteren 12 % besteuert. Nach Einschätzung von Martin Behle müsste ein Großteil der Gastronomen diese Preiserhöhungen an die Gäste weitergeben: „Beim kleinen Italiener ums Eck bedeutet das für eine vierköpfige Familie rund 10 € mehr. Nur fürs Essen .“ [Quelle] Infolgedessen, vermutet Behle, werden die Restaurantbesuche zurückgehen. Wenn auf Dauer weniger Gäste kommen, werden viele gastronomische Betriebe nicht überleben können, was sich wiederum auf das gesellschaftliche Leben vor allem in den Innenstädten auswirkt. Zudem sind derzeit einige Betriebe aufgefordert, die Corona-Soforthilfen des Bundes zurückzuzahlen, was sie zusätzlich unter Druck setzt. [Quelle]

Wie wirkt sich die Mehrwertsteuer für die Gastronomie auf die Inflation aus?

Steffen Greubel, CEO der METRO AG, erklärt, weswegen METRO sich für eine reduzierte Mehrwertsteuer für die Gastronomie ausspricht: „Logischerweise haben wir ein großes Interesse daran, dass unsere Kunden gute Geschäfte machen. Aber es ist viel mehr als das: Es geht um unser Land, die Zukunft unserer Innenstädte, unser Sozialleben außerhalb der eigenen vier Wände.“[Artikel auf Bild.de]

Steuersätze sind von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Die Inflation bei Lebensmitteln hat in Deutschland in den letzten Monaten ihren Höhepunkt erreicht. Reduzierte Steuersätze steigern das Risiko, eine Inflation weiter anzuheizen. Aber auch die Steuererhöhung für die Gastronomie birgt die Gefahr, die Inflation weiter voranzutreiben. Davon geht beispielsweise die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten aus, die annimmt, dass eine Steuererhöhung zum Anfang 2024 die Inflation weiter anheizt. [Quelle] Denn wenn Betriebe schließen müssen, bringen sie dem Staat keine Steuereinnahmen mehr, warnt der SPD-Bundestagsabgeordnete Daniel Rinkert. [Quelle] Behle ergänzt: „Wenn 10 % der Unternehmen schließen, dann bleiben schon mal 10 % Steuereinnahmen aus. Wenn wir dann auf die gesamte Wertschöpfungskette, von den Bauern bis zum Restaurant, und auf die dadurch steigenden Arbeitslosenzahlen schauen, sind die volkswirtschaftlichen Kosten enorm .“ [Quelle]

Ist die Rückkehr zum regulären Steuersatz vertretbar?

Einige führende Ökonomen halten die Rückkehr zum Normalsatz jedoch für vertretbar beziehungsweise notwendig. Schließlich sei die Coronapandemie überstanden, aus der die Übergangslösung erwachsen ist. „Die Steuersenkung war eine Maßnahme, die in der Pandemie ergriffen wurde, um die von der Krise gebeutelte Gastronomie zu stützen“, sagte der Präsident des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest, dem Handelsblatt. „Die Pandemie ist lange vorbei, also sollte die Hilfsmaßnahme enden.“ Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sieht keine Notwendigkeit, die temporäre Mehrwertsteuersenkung dauerhaft umzusetzen: „In der Coronapandemie war die Gastronomie durch die Schließungen besonders hart getroffen und die Mehrwertsteuersenkung daher gerechtfertigt. Aber in der heutigen Situation gibt es keinen guten Grund, weshalb die Gastronomie dauerhaft von einer Mehrwertsteuersenkung profitieren sollte, andere Branchen wie Hotels oder Geschäfte im Einzelhandel dagegen nicht.“[Quelle]

Auch einige Politiker stehen der reduzierten Mehrwertsteuer kritisch gegenüber. „Es wird schwierig, diese zusätzlichen Mittel in Milliardenhöhe weiter zu priorisieren“, erwähnte der Tourismuskoordinator der Bundesregierung, Dieter Janecek, gegenüber dem Spiegel.

Welche Mehrwertsteuer angemessen ist, diese Frage muss die Politik in Deutschland nun beantworten. Immer mehr Stimmen erheben sich, um die Entscheidung der Bundesregierung zu beeinflussen. „Die Politik in Berlin sieht nicht die Realität. Ebenso wenig die Ökonomen, die in ihrer statistischen Bubble leben“, sagt hingegen Behle. Er betont: „Man fokussiert sich in der Debatte immer auf die Stereotype der gutgehenden Lokale. In Stadtzentren, wo die Kaufkraft hoch ist. Der klassische Landgasthof, die kleine Dorfschenke aber stirbt. Das wird durch die Steuererhöhung zum Flächenbrand. Sie wird jetzt der Nagel an ihrem Sarg .“ [Quelle] Für Behle ist klar: „Solange es in der Politik keine klare Position zur Fortschreibung der 7 % Mehrwertsteuer gibt und eher Richtung 19 % tendiert wird, werden wir als Branche nicht still sein.“

Petition gegen die Mehrwertsteuererhöhung für die Gastronomie

Und die Branche ist laut: Sei es mit Stellungnahmen und Videos in sozialen Netzwerken, Interviews in Magazinen oder mit Petitionen. Um die Dringlichkeit der Beibehaltung der reduzierten Mehrwertsteuer zu betonen, ruft der Dehoga Bundesverband dazu auf, die Petition „Keine Steuererhöhung: 7% Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie müssen bleiben!“ zu unterzeichnen. Auch die JRE Deutschland, eine Vereinigung von Köchen der gehobenen Gastronomie, hat eine Petition mit dem Titel „Gemeinsam für den Erhalt der Gastronomie: Stoppt die Mehrwertsteuererhöhung !“ gestartet.

📜 Petition

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