Ist selber Zapfen der Weg zur Verpackungsfreiheit?

"Original Unverpackt" ist einer der ersten Supermärkte, die Waren in Deutschland ohne Einwegverpackungen verkaufen. Inzwischen gibt es in Deutschland über 20 Läden, nicht nur in großen Städten, sondern auch in kleineren wie Schwäbisch Gmünd. Von der Herstellung bis zur Lieferung an den Kunden soll möglichst kein Abfall entstehen. Wir haben mit Gründerin Milena Glimbovski über die Herausforderung einer solchen Geschäftsidee und den Zero-Waste-Lifestyle gesprochen.

Balsamico-Essig fließt in kleine Flachmänner. Kunden können selbst bestimmen, wie viel Milliliter sie benötigen.

Milena, bei euch muss man Shampoo oder Cremes selbst abpumpen oder Nudeln und Müsli in Gläser füllen. Finden Kunden das nicht anstrengend?

Nein gar nicht, den meisten macht das Spaß. Jeder kann Waren wie Reis oder Nüsse genau nach Bedarf abstimmen. Es ist nicht schlimm, wenn auch mal etwas daneben geht. Kunden schätzen an unserem Laden gerade die persönliche Atmosphäre eines Tante-Emma-Ladens. Da macht es auch nichts, dass das Abwiegen an der Kasse etwas länger dauert. Mit ihren Behältern sind die Kunden wirklich erfinderisch: Für Nudeln verwenden sie Pringles-Verpackungen, Nüsse oder Nudeln werden auch mal in Mützen abgefüllt. Unsere Stammkunden bringen ihre Gefäße meist mit. Viele suchen auf dem Dachboden der Großmutter nach Behältnissen und bringen die schönsten Dosen mit.

Mit ihren Behältern sind die Kunden wirklich erfinderisch: Für Nudeln verwenden sie Pringles-Verpackungen, Nüsse oder Nudeln werden auch mal in Mützen abgefüllt

Milena Glimbovski

Wer kommt zu euch?

Menschen, die das Leben in der Großstadt mögen, sich aber an dem vielen Plastik und den unnützen Verpackungen in Supermärkten stören. Oft sind es junge Mütter mit ihren Kindern, die auf einen umweltschonenden Lebensstil Wert legen. Bei uns kaufen auch viele Singles ein, die sich ihre Mahlzeiten hier genau abwiegen können. Es sind immer Kunden, die Spaß haben, selbst zu kochen, denn Fertiggerichte für die Mikrowelle gibt es bei uns nicht. Auch Touristen kommen oft, meist haben sie von uns gehört und fotografieren alles.

Euer Sortiment ist von 350 auf 600 Produkte gewachsen, nicht alles wird ohne Verpackungen verkauft. Wo bestehen die Herausforderungen bei der Bestellung?

Das Ganze ist auch ein Experiment für Hersteller. Anfangs war es schwierig, Kosmetik anzubieten. Jetzt haben wir ein Labor in Berlin gefunden, das uns alle Produkte liefert, von Zahnputztabletten über abpumpbare Shampoos bis hin zu unverpackter Seife. Kreativer Input für Behältnisse kam übrigens von Berliner Industriedesignern, sie haben für uns schicke Stationen entwickelt, an denen jeder sich Reinigungsmittel abfüllen kann. Ein Hersteller für Tofu liefert uns erstmals Ware im Mehrwegglas.

Ihr verzichtet aus ideologischen Gründen auf den Verkauf von Fleisch. Gibt es Produkte, die ihr gerne im Sortiment hättet, aber nicht anbieten könnt?

Olivenöl können wir leider nicht anbieten, es ist verboten in der EU reines Olivenöl ohne Zusätze abzuzapfen. Für Tomatenmark und Sojamilch ist es nicht einfach, Hersteller zu finden. Denn diese Produkte müssen in große Mehrwegbehälter oder unverpackt in großen Mengen angeboten werden. Hersteller müssten ihren Produktionsprozess verändern, wodurch Kosten entstehen, die das Produkt wieder teuer machen. Da suchen wir gerade nach Lösungen.

Brot kommt aber bei euch auch in die Tüte...

Ja, wir machen Ausnahmen. Wir wollen die Leute auch nicht abschrecken. Auch auf Bananen oder Zitrusfrüchte wollen die meisten einfach nicht verzichten, deshalb bieten wir sie an. Da, wo es geht, sind wir verpackungsfrei, bio und regional.

Einige Supermärkte verzichten inzwischen auch auf Plastiktüten, findet ihr das sinnvoll?

Plastik durch Papier zu ersetzen ist zwar ein guter Anfang, aber natürlich reicht dieser Schritt nicht, allein schon weil die Öko-Bilanz von Papiertüten auch nicht viel besser ist als die von Plastiktüten.

Was haltet ihr von kompostierbaren Tüten?

Das ist für mich die größte Lüge der Neuzeit. Vor allem wenn es um Bio-Plastik geht. Die Menschen sortieren kompostierbare Tüten oder Bioplastiktüten meist falsch ein. Landen sie in der Biotonne, hat es oft nicht die richtige Wärme oder die Bakterien. Das Nachhaltigste, was man machen kann, sind Stoffbeutel. Und wenn das nicht geht, gilt als Faustformel: Lieber Mehrweg, lieber stabilere und langlebigere Tüten und Taschen.

Bekommt ihr Feedback von der Verpackungsindustrie?

Nicht direkt. Aber kürzlich war Nespresso da. Das ist ja verpackungstechnisch gesehen unser großer Feind. Die Mitarbeiter haben wir natürlich gerne empfangen und ihnen unser Konzept vorgestellt, in der Hoffnung, dass sich bei Nespresso auch etwas ändert.

Original Unverpackt

Zwei Jahre arbeitet Milena Glimbovski mit einem Team daran, ihren Traum vom plastikfreiem und unverpackten Einkaufen wahr werden zu lassen. Neben Job und Studium wurde der Geschäftsplan geschrieben, ein Lieferantennetzwerk aufgebaut und die Finanzierung durch eine Crowdfunding-Kampagne realisiert.
2014 wurde der Laden "Original Unverpackt" in Berlin Kreuzberg eröffent.
Nebenbei hält Milena Glimbosvski auch Vorträge rund um die Themen Nachhaltigkeit und Trends im Einzelhandel, Zero Waste und Gründertum.

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