Fett macht fett? Von wegen!

Low-Fat, Low-Carb oder Paleo: Der Diäten-Dschungel ist dicht – und Cleveres von Quatsch zu unterscheiden, gar nicht so leicht. Autor Bas Kast hat sich ins Dickicht gewagt, sein „Ernährungskompass“ führt seit Erscheinen die Bestsellerlisten an. Wir haben nachgeschaut, wohin die Kompassnadel zeigt. Und überlegt, wie sich die Tipps ins gastronomische Angebot integrieren lassen.

Low-Fat, Low-Carb oder Paleo

„Das Fazit aller wissenschaftlichen Studien zum Thema Ernährung“: Ein ziemlich großes Versprechen, das Bas Kast im Untertitel seines „Ernährungskompasses“ aufstellt. Alle Studien? So aufbereitet, dass Otto-Normalo sie versteht, gar unterhaltsam findet? Das Erfrischende: Kast belehrt nicht mit erhobenem Zeigefinger. „Der Ernährungskompass wird Ihnen keinen rigiden Speiseplan diktieren, an den Sie sich sklavisch halten müssen“, verspricht der deutsch-niederländische Autor. Im Verlauf seines Buchs erklärt er eingehend, wieso. Kurzfassung: Menschen sind individuell, darum sei auch die „ideale“ Ernährung eine höchst individuelle Angelegenheit. Was das Gewimmel an Ernährungsgurus und immer neuen Ratschlägen im Diät-Kosmos erklärt.

Und ob Veganismus, Low-Carb oder Steinzeitkost, für nahezu jede Lebensweise existiert mindestens eine Studie, die eben diese als gesund und muntermachend anpreist. Das Problem: Viele Untersuchungen weisen Korrelationen nach, beobachten also Zusammenhänge zwischen einer bestimmten Ernährung und Gesundheitsphänomenen. Nur, dass zwei Dinge zusammen auftreten, heißt noch lange nicht, dass sie auch kausal voneinander abhängen.

Zudem fehle oft die Einordnung in den Gesamtkontext, bemängelt Kast. Als „Fachfremder“ – der Wissenschaftsjournalist studierte Psychologie und Biologie – will er sich unvoreingenommen einen Überblick über den vollständigen aktuellen Forschungsstand verschafft haben. Nach eigenen Angaben wälzte Kast dafür „tausende“ Studien zum Thema Ernährung und Gesundheit. Genug, um die wichtigsten Erkenntnisse vorzustellen – und wie sie sich im gastronomischen Alltag umsetzen lassen.

Sattmacher Proteine: Eiweiße liefern Energie. Hat der Körper die benötigte Menge erhalten, signalisiert er Sättigung. Allerdings kurbeln insbesondere tierische Proteine auch das Zellwachstum an, warnt Kast. Mögliche Folgen: Herz-Kreislauf-Beschwerden oder erhöhtes Krebsrisiko. Er rät daher vor allem zu pflanzlichen Proteinen.

MPULSE Gastro-Tipp: Falafel stehen in vielen türkischen, indischen oder arabischen Restaurants auf der Speisekarte – und sind längst nicht nur etwas für Vegetarier!

Mythos Kalorien: Eine Kalorie ist laut Kast nicht immer eine Kalorie – schlägt also entgegen der landläufigen Annahme nicht immer gleich stark in der „Energiebilanz“ zu Buche. Kasts Empfehlung: Die Mehrzahl der Kalorien in der ersten Tageshälfte zu sich nehmen und grundsätzlich nur innerhalb eines festen Zeitfensters essen, etwa zwischen 8 und 20 Uhr. So bleibt dem Körper Zeit zum „Aufräumen“.

MPULSE Gastro-Tipp: Geselliges Brunchen – mit gesunden Kohlenhydraten und Ballaststoffen wie Vollkornbrot und unverarbeitetem Obst.

Nicht alle Menschen vertragen Kast zufolge Kohlenhydrate gleich gut. Bei „Insulinresistenz“, wenn der Körper Kohlenhydrate also schlecht abbaut, mag Low-Carb sinnvoll sein; für Menschen mit hoher Insulinempfindlichkeit könne jedoch eine Low-Fat-Ernährung mit wenig Fett und vergleichsweise vielen Kohlenhydraten ratsamer sein. Aufschluss gibt im Zweifel ein Bluttest.

MPULSE Gastro-Tipp: Viele Gerichte lassen sich mit minimalem Aufwand abwandeln – explizit auf der Karte vermerkt oder auf Wunsch. Beispiel: brotlose Burger.

Mythos Fett: Fett macht nicht unbedingt fett, sagt Kast. Für manche fettreiche Lebensmittel gelte sogar das Gegenteil – Nüsse und Olivenöl beispielsweise. Als heilsam deklariert er insbesondere Omega-3-Fettsäuren, die Entzündungsprozesse im Körper herunterfahren, so Kast.

MPULSE Gastro-Tipp: Lachs ist nicht nur eine reichhaltige Omega-3-Quelle, sondern auch überaus beliebt – und variantenreich zuzubereiten.

Empfehlenswert sind laut „Kompassnadel“ insgesamt vor allem:

  • Nüsse
  • Joghurt oder Kefir
  • Fettiger Fisch
  • Hülsenfrüchte
  • Olivenöl (auch zum Braten!)
  • Grüner Tee

Die „Kompassnadel“ rät hingegen ab unter anderem von:

  • Großen Mengen an Zucker
  • Reis
  • Kartoffeln
  • Transfetten - Wurst, Hotdogs und grundsätzlich verarbeiteten Industrieprodukten

Mehr zu den von Kast angeführten Hintergründen und Belegen: Der Ernährungskompass; ISBN: 978-3-570-10319-7


Kasts These: Gesund essen heißt, so zu essen, dass unser Körper möglichst lange möglichst fit bleibt, also ohne Krankheiten und Alterserscheinungen auskommt. Einige seiner Empfehlungen stehen dabei im Widerspruch zu denen der Verbraucherzentralen oder der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE); manches bleibt vage, vieles persönliche Einschätzung – was der Autor allerdings auch unumwunden bekennt. „Entscheidend sind eine gewisse Experimentierfreude und Selbstbeobachtung.“

Ob die Erkenntnisse für den Leser nun neu sind oder alte Leier, bleibt natürlich höchst individuell – wie eben auch die Ernährung selbst. Letztlich, so die schnöde, aber wohl auch sehr wahre Kernaussage, muss jeder für sich herausfinden, welche Kost ihm am besten bekommt. Klar ist: Wer sich zu einer als falsch empfundenen Diät zwingt, wird sie höchstwahrscheinlich nicht lange durchhalten – was im Zweifel schlimmer ist als kleine „Verfehlungen“ zwischendurch. Ein Glück, dass es das passende gastronomische Angebot gibt. Für jeden Geschmack.

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