
Aus den Antworten ergeben sich die Routen. Der Zeitplan ist eng: Besprechung, Einteilung, raus auf den Platz, Transporter checken. Und los. Heute nimmt Ammelounx die METRO Tour.
Lebensmittel einsammeln – ein ziemlicher Kontrast zu seinem eigentlichen Job. Mehr als 20 Jahre arbeitete er in der Modebranche, zuletzt als General Manager für ein argentinisches Modelabel. „Dort geht es um schöne Dinge und teure Artikel, aber alles bleibt sehr oberflächlich“, sagt Ammelounx. „Genau diesen Kontrast habe ich gesucht.“ Seine Arbeit bei der Tafel empfindet der 39-Jährige als bereichernd. „Hier setze ich meine Zeit sinnvoll ein und gebe etwas von dem Glück zurück, dass ich bislang in meinem Leben hatte.“
Als Fahrer ist Ammelounx dafür verantwortlich, welche Ware die jeweilige Tafel-Ausgabestelle bekommt. Auch wenn es einen höheren Aufwand bedeutet, versucht er, die Ware so zu verteilen, dass jede Ausgabestelle ein reichhaltiges Angebot erhält. Sorgfalt gilt auch für das Prüfen der Ware: Immer wieder sind die Lebensmittel nicht mehr für zum Verteilen geeignet. Die Entrüstung darüber ist dem Ehrenamtler deutlich anzumerken.
Bei diesem Bäcker kann man sich eine Scheibe abschneiden
Ganz anders der erste Stopp dieser Fahrt. Im morgendlichen Sonnenlicht hält der Transporter vor der Bäckerei Hinkel. Schnellen Schrittes marschiert Ammelounx in die Backstube, wo ihn Hinkel-Mitarbeiter Stefan Beisenherz freundlich begrüßt. Brötchenduft liegt in der Luft, es ist warm und laut.
Die Düsseldorfer Traditionsbäckerei ist ein Partner der ersten Stunde. Zwei- bis dreimal pro Woche holen Tafel-Helfer Backwaren ab. „Und darüber freuen wir uns sehr“, sagt Beisenherz.
Tafel Düsseldorf e.V.
Hier geht niemand mit leeren Händen wieder raus. Uns ist wichtig, dass alles verbraucht wird.
Stefan Beisenherz, Bäckerei Hinkel
Eine Partnerschaft, damit nichts übrig bleibt
Auf der Tour steht nun METRO auf dem Plan. „Wir sind froh, diesen Partner an Bord zu haben“, sagt Ammelounx. Das Großhandelssortiment bietet dabei durchaus Kuriositäten: „Es gab mal schwarze Tomaten, da haben sich in der Ausgabe alle gewundert“, erzählt Ammelounx und lacht. „Und es sind eben immer mal wieder ungewöhnliche Verpackungsgrößen dabei, zum Beispiel riesige Würste oder Käselaibe.“ Der Tafel-Helfer parkt gekonnt an einer Laderampe, wo ihn METRO Deutschland Mitarbeiter Niclas Seithümmer erwartet. Mit geübten Griffen ist das Rolltor oben. Die Männer verlieren keine Zeit. Für Seithümmer, 2016 als Azubi bei METRO gestartet und nun in der Abteilung Molkereiprodukte, kurz „MoPro“, ist die Waren-Ausgabe längst Routine.
„Was wie lange verkauft werden darf, unterliegt diversen externen und internen Vorgaben“, erklärt Seithümmer. Was nicht mehr an Kunden verkauft werden darf, aber noch gut und genießbar ist, geht an die Tafel. Neben „Mopro“ stellt METRO auch Käse, Feinkost, Wurst sowie Obst und Gemüse bereit. „Ich freue mich, dass da etwas Gutes getan wird“, sagt Seithümmer. Gleichzeitig arbeitet METRO kontinuierlich daran, Überschüsse zu reduzieren.

Wenn die Tafeln nicht wären, würden aufwändig produzierte Lebensmittel ungenutzt entsorgt.
Jochen Schmitz, Betriebsleiter METRO Deutschland
Ausgabe mit Herz und Rechenschieber
Ammelounx‘ Kollegen sind dort auf dem Parkplatz vor der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche schon am Entladen. Im Gotteshaus herrschen Betriebsamkeit und gleichzeitig ein Gefühl von Einkehr. Zwei Tischreihen, gut 40 Meter lang, füllen sich mit Lebensmitteln, sortiert nach einem festen Prinzip. Die für den Bereich Backwaren zuständige Helferin kontrolliert die „Ausbeute“: Sie rechnet, sortiert, überschlägt erneut und packt dann Beutel ab. „Nur wenn alle einen bekommen, war es ein guter Tag.“
Früher suchten vor allem ältere Menschen die Tafel auf, berichtet Burkhard Schellenberg, seit 10 Jahren Tafel-Teamchef in Garath. „Mittlerweile kommen alle Altersstufen zu uns. Rund 60% meiner Kunden sind Flüchtlinge.“ Auf den Anstieg der Nachfrage musste die Tafel bereits vor 5 Jahren mit einem Aufnahmestopp reagieren. Rund 8000 Menschen versorgt die Tafel Düsseldorf aktuell; jeder davon darf alle 14 Tage zur Lebensmittel-Abholung kommen. Wer 3 Mal unentschuldigt fehlt, fliegt aus der Kartei. Klingt hart – doch nur so können andere aufgenommen werden. Die Regeln sind transparent und in mindestens 4 Sprachen einsehbar. Zusätzliche Tagesberechtigungsscheine garantieren, dass niemand weggeschickt wird.
Zusätzlich finden Kochkurse statt, um zu zeigen, was sich aus Lebensmitteln zaubern lässt. „Die Dankbarkeit, die Sie hier erfahren, ist enorm“, sagt Schellenberg. „Das belohnt einen für die Leidenschaft, Zeit und Verantwortung, die man investiert.“ Apropos Zeit: Für Ehrenamtler Ammelounx geht es nun mit dem Transporter zurück zum Tafel-Büro.
Jeder Tag ist anders, aber das Ziel ist gleich
Am Ende des Einsatzes treffen sich alle Helfer zum gemeinsamen Mittagessen dort, wo der Tag begann. In der Küche. Andrea Schütze kocht und es schmeckt „immer fantastisch“, lobt Ammelounx. Jeder Tag ist anders, aber das Ziel ist gleich – die Bedürftigen aus Düsseldorf satt zu machen. Schwer beeindruckt von so viel Engagement und dem Gefühl, dass es hierbei nur Gewinner gibt, stellt sich der Reporterin schließlich die Frage: Was gibt’s heute eigentlich zu essen? Die Antwort: Mal schauen, was sich aus vermeintlichen „Resten“ im Kühlschrank noch zaubern lässt.