Das sind die Trends in der Gastro-Branche
Ein Salat gezüchtet in vertikalen Beeten, zubereitet in einer Ghost Kitchen und vom Lieferdienst vor die Haustür gebracht – was vor ein paar Jahren noch unvorstellbar war, ist inzwischen richtig angesagt.
Ein Salat gezüchtet in vertikalen Beeten, zubereitet in einer Ghost Kitchen und vom Lieferdienst vor die Haustür gebracht – was vor ein paar Jahren noch unvorstellbar war, ist inzwischen richtig angesagt.
Restaurants, in denen zwar gekocht, aber nicht gegessen wird. Gastronomiebetriebe, die ihr Gemüse selbst anbauen. Oder auf den einzelnen Menschen zugeschnittene Mahlzeiten – mit Food-Trends kennt Frank Anders sich aus. Der Strategie-Experte bei NX-Food, einem Tochterunternehmen von METRO, verrät, was angesagt ist und welche Entwicklungen Gastronomen im Auge behalten sollten.
Die haltbaren Konserven waren ursprünglich zur Versorgung von Soldaten gedacht und entwickelten sich dann in den 1950ern in privaten Haushalten zum Trend: In den USA entstand ein „TV-Dinner“ aus 3 tiefgekühlten Komponenten, das nur noch erhitzt werden musste, und in Deutschland waren die „Ravioli in Tomatensoße“ eines der ersten Fertiggerichte. Während dabei die Haltbarkeit der Produkte im Mittelpunkt stand, sind heute insbesondere die Arbeitserleichterung und Flexibilität für Verbraucher wichtig.
Was vor 50 Jahren die Ravioli aus der Dose waren, sind heute gesunde Salat-Bowls und mundgerecht geschnittenes Obst. Das Schlagwort dazu: Convenience-Produkte. Darunter versteht man „bequeme Waren“, also Produkte, die für den Verzehr vorgefertigt sind und sich schnell und einfach zubereiten lassen. Die Sortimentsvielfalt reicht heute von Tiefkühlprodukten über Kühlkost und Fix-Produkte bis hin zu fertig vorbereiteten Mahlzeiten – und das in unterschiedlichen Fertigungsstufen. Besonders angesagt sind gesunde Ready-to-Eat-Angebote, weiß Frank Anders: „Konsumenten wollen schnell, aber trotzdem gesund essen. Das zeigt sich im wachsenden Angebot der Supermärkte von Fertigprodukten wie Smoothies, Salate, Bowls, Sushi und Wraps, aber auch in Restaurantkonzepten, die sich auf frische Snacks und Mahlzeiten zum Mitnehmen konzentrieren. Während der Coronapandemie boomte zudem das Selbstkochen im Convenience-Format – als Kochbox für zu Hause.“
Laut Expertenschätzungen sind Convenience-Produkte auch in 80 bis 90 % der Restaurantküchen verbreitet – und haben einige Vorteile. Denn die Fertigprodukte kommen heutzutage auch in guter Qualität und ohne lange Zutatenliste daher. Als Basis von Mahlzeiten und gepaart mit frischen Produkten sparen sie Zeit, machen den Einkauf besser planbar und reduzieren so die Lebensmittelverschwendung.
Falafel, Zucchinispaghetti oder lieber Rösti? Als 1988 das laut Guiness-Buch der Rekorde erste Veggie-Restaurant der Welt, das Hiltl, in Zürich eröffnete, traf der Trend noch auf viel Unverständnis. Schließlich galt Fleisch als Zeichen des Luxus. In den vergangenen Jahrzehnten dann der Boom: Gab es 2007 lediglich etwa 500 rein vegetarische und 85 rein vegane Restaurants in Europa, sind es inzwischen rund 4.000 vegetarische und 2.5000 vegane Lokale. In den USA eröffnete im Jahr 2019 sogar die weltweit erste pflanzenbasierte Food-Hall Plant City. Auch in der Sternegastronomie ist der Trend inzwischen angekommen, berichtet Anders: „Das Seven Swans in Deutschland und das ONA in Frankreich haben als erste vegane Restaurants einen Michelin-Stern erhalten und berühmte Restaurants wie das Eleven Madison Park in New York stellen auf rein vegane Menüs um – das sind große Meilensteine.“
Aber auch in vielen anderen Restaurants beschränkt sich die Auswahl an vegetarischen und veganen Gerichten schon lange nicht mehr auf Salat oder Kartoffelsuppe ohne Würstchen. Allein im Jahr 2020 stieg die Anzahl an veganen Optionen auf der Speisekarte in Restaurants in Singapur beispielsweise von durchschnittlich 2,3 auf 4,3. Der Grund: Immer mehr pflanzenbasierte Ersatzprodukte sind verfügbar und halten Einzug in die Gastronomie. „Start-Ups und Brands wie Impossible Foods oder Tindle gehen zunehmend gezielt mit pflanzenbasierten Alternativen auf die Gastronomie zu. Sie bieten flexible Produkte an, die es Köchen erlauben, kreativ zu arbeiten und eigene Gerichte zu kreieren. Außerdem nutzen sie die kulinarische Expertise der Profis, um ihre Produkte zu validieren und ihre Marke aufzubauen“, so Anders.
Die Bewegung Farm-to-Table (F2T) dreht sich um regionale Produkte, die Gastronomen entweder selbst anbauen oder direkt beim Erzeuger kaufen. Der Vorteil: kurze Transportwege, hohe Qualität und Frische der Lebensmittel. Maßgeblich geprägt hat den Begriff der Amerikaner Dan Barber, der seit den 2000ern eine Farm und 2 Restaurants namens Blue Hill unterhält, die die selbst angebauten Produkte zum Star der Küche machen. Seitdem wächst die Zahl der F2T-Restaurants stetig. Im The Jane Table in Antwerpen wachsen Gemüse, Gewürze und Kräuter sogar direkt auf der eigenen Dachterrasse. „Wir kennen Farm-to-Table im kleinen Stil natürlich schon lange von Restaurants mit saisonaler und regionaler Karte. In der Systemgastronomie gibt es bisher aber nur wenige Anbieter, da hier der Beschaffungsaufwand sehr hoch ist. Ein interessantes Beispiel ist die amerikanische Restaurantkette Sweetgreen, die Salate aus regionaler Erzeugung als gesundes Fast-Food verkauft“, berichtet Anders.
Als eine Art Weiterentwicklung der F2T-Bewegung gilt Vertical und Urban Farming. Damit verbunden ist der Gedanke, begrenzte städtische Räume bestmöglich landwirtschaftlich zu nutzen. „Zwar kann Vertical Farming bisher nicht die nötigen Mengen für ein Restaurant produzieren oder die nötige Flexibilität bereitstellen. Dennoch gibt es schon vielversprechende Konzepte“, erklärt Anders. Dazu gehört etwa der Anbieter farm.one in den USA, der Gastronomen die Anzucht und Ernte von Kräutern anbietet, oder Urban Crop Solutions, die Nahrung in Schiffscontainern anbauen. In Berlin züchtet ein Restaurant Salate sogar direkt hinter der eigenen Restauranttheke.
Bread Beer aus übriggebliebenem Brot oder Gemüsechips aus unansehnlichem Obst: Immer mehr gastronomische Start-Ups betreiben Upcycling von Resten aus der Küche und setzen sich so gegen Lebensmittelverschwendung ein. Das ist eines von vielen kreativen Lösungskonzepten, mit denen die Gastronomiebranche sich für mehr Nachhaltigkeit einsetzt. Außerdem wieder gefragt: Nose-to-Tail, eine Tradition, nach der ein Tier möglichst ganzheitlich verwertet wird. So kommen neben Rumpsteak und Kotelett auch wieder vermehrt Gerichte wie Kutteln oder Kalbszunge auf die Speisekarte. Initiativen wie Greentable unterstützen Gastronomen dabei, nachhaltiger zu kochen. Mit der Greentable-App können sie beispielsweise die Klimabelastung ihrer Gerichte ausrechnen.
Aber nicht nur die nachhaltige Verwertung von Lebensmitteln wird zunehmend wichtiger, wie Anders erklärt: „Immer mehr gastronomische Betriebe achten darauf, weniger Abfall zu produzieren. Dabei werden sie von Unternehmen unterstützt, die Mehrwegverpackungen für die Gastronomie anbieten – das ist besonders vor dem Hintergrund steigender Zahlen von Convenience-Produkten und Lieferdiensten relevant.“ Manche Restaurants gehen sogar so weit, Zero-Waste-Konzepte umzusetzen. Das Restaurant Silo war im Jahr 2014 beispielswiese das erste Zero-Waste-Restaurant in England. Es verzichtet vollständig auf Plastikverpackungen, arbeitet direkt mit Erzeugern zusammen und versorgt sich zum Teil selbst. Zudem setzt es auf recycelte Inneneinrichtung und kompostiert übrig gebliebenes Essen.
Seien es die Poke Bowl To-Go oder die spanischen Tapas zum gemütlichen Abendessen direkt nach Hause geliefert – Abhol- und Lieferservices sind zuletzt stark gewachsen. Der Umsatz von Platform-to-Consumer- und Restaurant-to-Consumer-Lieferungen hat sich in den vergangenen 4 Jahren mehr als verdoppelt. Besonders während der Pandemie waren Lieferdienste eine wichtige Einnahmequelle für die Gastronomie. Frank Anders ist überzeugt, dass diese auch weiterhin einen hohen Anteil am Außer-Haus-Verkauf ausmachen werden: „Durch ihre Marktstellung und Einfachheit bieten sie eine wichtige Möglichkeit für Restaurants, ihre Auslastung zu steigern. Gleichzeitig gehe ich fest davon aus, dass Gastronomen mit starken Marken in Zukunft eigene Produkte entwickeln und diese über ihre Restaurants, im Direktvertrieb oder im Supermarkt vertreiben. Wie kreativ sie dabei werden können, haben sie während der Corona-Pandemie mit Bottled Drinks, Cocktail Kits, Home Meals oder Fine Dining für Zuhause schon unter Beweis gestellt.“
Mit zunehmendem Wachstum des Außer-Haus-Geschäfts erwartet der NX-Food-Experte auch eine Zunahme der Ghost Kitchens. Denn ohne direkten Kundenbetrieb und mit mehreren Marken im Angebot sind diese flexibel und können eine hohe Auslastung erreichen: „Ghost Kitchens sind zum einen Gastronomen, die ihre Produkte online unter einem gesonderten Markennamen anbieten. Zum anderen Betriebe, die nur aus einer Küche bestehen und Gerichte ausschließlich zum Liefern oder Abholen anbieten.“ In den USA ist das Konzept schon länger auf dem Vormarsch, in Europa allerdings noch weniger verbreitet.
Für jeden Körper maßgeschneidertes Essen: Das Konzept „Personalisierte Ernährung“ nutzt Informationen über individuelle Charakteristika und Bedürfnisse, um zielgruppenspezifische Tipps, Produkte oder Services zu entwickeln. Relevant ist das einerseits für gesundheitsorientierte Personen, andererseits für Menschen mit einer Lebensmittelunverträglichkeit oder Erkrankung, die sich speziell ernähren müssen. Zwar war der Markt für entsprechende Lösungen mit 2,5 Mrd. Euro im Jahr 2019 weltweit noch relativ gering. Experten erwarten aber exponentielles Wachstum: Die Datenanalyse-Plattform CB Insights rechnet mit einem Marktvolumen von 19 Mrd. im Jahr 2027.
Bislang existieren noch wenig praktische Umsetzungen,– was auch an hohen Kosten und Aufwand liegt. Jedoch gibt es bereits einige einfache Ideen, die gleichzeitig hohe Wirkung entfalten. Ein E-Commerce Shop mit Filterfunktion, über die Kunden auf Basis von personalisierten Ernährungskriterien die passenden Produkte finden. Oder Restaurateure, die personalisierte Mahlzeiten auf der Grundlage individueller Nährwertangaben anbieten. Diesen allgemeinen Trend zu individuellen Produkten und Dienstleistungen sollten Gastronomen definitiv im Blick behalten.