Gastronomen, die mehr statt weniger wagen (Teil 1)

Irma la Douce: Für die Berliner in die Vollen gegangen
Also ging Kartenberg aufs Ganze. Öffnete an 7 statt an 5 Tagen. Servierte auf der Bürgersteig-Terrasse. Setzte auf Berliner Gäste statt auf Geschäftsleute und Touristen. Küchenchef Michael Schulz stellte die Karte auf eine für viele zugängliche, sommerliche Küche um. Kurz vor dem erneuten Lockdown in Deutschland Anfang November folgte Ländlich-Herbstliches wie „Ente in zwei Teilen“ oder „Kabeljau Bordelaise“. Die moderne französische Genusswelt im Irma la Douce bekam eine neue Note und zu den Speisen, die weiterhin auf der Karte bleiben, gesellten sich Rezepte, die man eher in einem französischen Landgasthaus vermuten würde. Die Terrasse sollte sich zu einem Pavillon fürs gute Gefühl und Genießen verwandeln. Nach dem erneuten Lockdown liegt das vorerst auf Eis, der Betrieb steht gezwungenermaßen still.Sein Team bleibt so oder so zunächst in Kurzarbeit; auch, um Energie zu tanken für das, was kommt. „Meine Leute wollen arbeiten. Ich sage: Lasst uns mal ruhig machen. Denn wir wollen, müssen und werden spätestens ab März oder April wieder richtig Gas geben. Wir werden mit Sicherheit das tollste ‚Irma‘-Menü anbieten, das wir je hatten, weil wir mit voller Kraft daran gearbeitet haben.“ Kartenberg führt neben dem Irma la Douce seit 2014 das eins44, ein weiteres Casual Dining-Restaurant, in Berlin-Neukölln. Er macht sich keine Illusionen, welche Anstrengung die vergangenen und die kommenden Monate bedeuten: „Ich eröffne im Frühjahr mein zweites Restaurant de facto zum dritten Mal.“
METRO Umfrage
METRO Umfrage belegt: 3 von 4 Menschen sorgen sich um Gastronomie
Barkin’ Kitchen: Mit Flexibilität zu Freddy Fey’s Fish & Fries
Ebenfalls nicht zum ersten Mal haben sich die 2 Macher der Berliner Barkin‘ Kitchen neu erfunden. Das Spektrum ihres Lokals war von Anfang an breit, das Tempo dynamisch: individuelle Caterings, Supper-Clubs mit befreundeten Köchen oder aufwändige Hausmannskost zu Mittag wechselten sich ab. DIY-Boxen in der späten Corona-Schließzeit und Pop-Up-Dinner in einem Club im Sommer folgten. Seit Anfang August gibt es in der eigenen Location einen ziemlich einzigartigen Imbiss in der Stadt: Freddy Fey’s Fish & Fries. Das gehobene handwerkliche Fish’n’Chips-Imbisskonzept ist ein Kind der Krise. Denn die Mittagesser aus den umliegenden Büros blieben und bleiben weiterhin aus. Backfisch und handgeschnitzte Pommes im britischen Streetfood-Style boten abends auf der Terrasse, mit Laufkundschaft und von einer kleinen Online-Kampagne befeuert eine bessere Perspektive.Stark bleiben – auf ein Neues!
Allerdings ist der 2. Standort, den die Barkin‘ Kitchen bespielt, derzeit wieder geschlossen. Die Gastronomie in der C/O Berlin nahe dem Bahnhof Zoo lebe von den Galerie-Besuchern, sagt Rilling. Sie war im September wiedereröffnet worden, wurde aber mit nur 2 Personen und im Self-Service betrieben. Bei aller Flexibilität und Neuerfindungspotenzial: Vorsicht bleibt das Gebot der Stunde. Caterings für größere und kleinere Kunden, ein wichtiger Geschäftszweig, waren weitestgehend ausgeblieben. „Wir sind froh, dass wir keine Riesen-Company mit 100 Leuten sind“, sagt Rilling. Die „Chefriege“, allesamt in der ersten Hälfte der Dreißiger, packe selbst mit an. Bei aller Kreativität und Out-of-the-Box-Denken ein nicht unwichtiger Aspekt: „Wir sind noch relativ jung. Da fällt es leichter, verrückte Ideen zu spinnen und einfach mal umzusetzen.“
Mehr statt weniger wagen: Hier geht es zu Teil 2.