Gastronomen, die mehr statt weniger wagen (Teil 2)

Gerade erst eröffnet und schon wieder zu. Oder: Umständlich den Betrieb auf Corona umgestellt – und dann eben doch vom Lockdown betroffen. Das trifft viele Restaurantbetreiber hart. Und nun? Den Kopf in den Sand stecken? Nicht diese Gastronomen. Teil 2.

Gastronomen, die mehr statt weniger wagen: "Der Weinlobbyist" in Berlin.

Viele wagemutige Macher sind jung – so wie Serhat Aktas. Der 29-jährige Sommelier eröffnete im Juni 2020 sein erstes eigenes Weinbistro Der Weinlobbyist. Eigentlich war der Start zum Auftakt der Draußen-Saison im April geplant. Aktas begann dann auch, nach dem Ende von Lockdown 1, aber lieber vorsichtig: mit nur einer Mitarbeiterin, 100 Wein-Positionen sowie hausgemachten Kleinigkeiten zum Essen. Doch der Start fiel mehr als positiv aus. Inzwischen lagern längst mehr als die ursprünglich vorgesehenen 300 Positionen in den Weinkühlschränken im Gast- und im Bankettraum. „Selbst mit Corona lief es sehr gut. Ohne Corona hätte ich gesagt: Es lief gut“, zieht Aktas nach den ersten Monaten Bilanz.

Der Weinlobbyist: Glücksfall Innenhof für die Neueröffnung

Und es hätte, ohne die Schließung Anfang November, so weitergehen können. Der Standort des Lokals erwies sich als Glücksfall: ein kleiner, von Remisen umstandener Innenhof, der mehr an lauschiges Italien erinnert als an die vielbefahrene Straße vor dem Haus. So bestanden die Gäste selbst im Oktober noch auf Plätzen in „ihrem“ Hof. „Wir hatten an einem Abend 8 Reservierungen von Gästen, die bei 10 Grad draußen sitzen wollten.“ Aktas machte es möglich. Er schaffte Equipment an: 3 große, eckige Sonnenschirme, die nahtlos miteinander verbunden werden und sogar um Wände ergänzt werden könnten, plus Infrarotstrahler. So soll künftig jedes Grad Wärme für die Gäste auf dem Hof gehalten werden. „Alles ist mehrfach und längerfristig nutzbar, nicht nur in Coronazeiten.“

Ein reiner Außer-Haus-Verkauf von Flaschenweinen lohnt sich für ihn allerdings nicht. Aktas ist zuversichtlich, dass seine Gäste wiederkommen, sobald er wieder öffnen kann. Die vorrangig deutschen und gerne auch gereiften Weine spielen dann wieder die Hauptrolle. Sie dürften zusammen mit heißer Suppe oder Flammkuchen im gut belüftbaren Gastraum wie auf dem Hof zumindest kurzfristig für gute Durchblutung, innere Erwärmung und wohliges Befinden sorgen.


Weinlobbyist: Serhat Aktas.
Foto: Serhat Aktas

Krone Alt-Hoheneck: Kundenbindung mit Crowdfunding

Ein Jahrgangssecco trug beim Lockdown 1 seinen Teil dazu bei, die Krone Alt-Hoheneck in Ludwigsburg über die einnahmefreie Zeit hinwegzuretten. Mit der Sonderedition einer „Beschützerbrause“ vom befreundeten Winzer, einem hausgebackenen Holzofenbrot und einem gebrandeten großen Stoffbeutel erreichten die Inhaber Pascal und Markus Fetzer mehr als 550 Unterstützer. Das Motto: „Kauf 2, nimm 1!“ Der Warenwert von 30 Euro wurde offen kommuniziert, das Doppelte war zu zahlen. Bei 600 „Beschützern“, um die sie mit einem „Krone-Märchen“-Video warben, sollte mit dem Crowdfunding Schluss sein. „Es kamen immer noch Leute nach“, sagt Markus Fetzer, der mit seinem Schwager Pascal Fetzer seit 6 Jahren die Krone Alt-Hoheneck führt. Die Aktion entwickelte sich zum Sympathieträger und zur erfolgreichen Kundenbindungsmaßnahme.

Der Sommer lief dann „grandios“. „Wir haben alle möglichen Außenbereiche aufgemacht“, sagt Markus Fetzer. Auch die, die zuvor – wegen weiter Wege etwa – nicht genutzt wurden. Das auf den 3 Säulen stehende Konzept mit À-la-Carte-Restaurant, Festsaal und Biergarten mit Selbstbedienung bot Spielräume zum Testen weiterer Geschäftsfelder. Ein Mittagsangebot entwickelte sich zum Renner. „Damit hat sich unsere Gästeschaft ganz klar erweitert. Es ist viel älteres Publikum zu uns gekommen“, sagt Fetzer.

Speisen und Getränke gibt es jetzt im "Kaufmannsladen"

Die Gäste halten auch weiter der Krone die Treue, kaufen wieder vom Außer-Haus-Angebot oder im sogenannten Kaufmannsladen ein. „Wir haben sonntagsabends die letzten Gäste bewirtet, als es noch ging, danach gleich umgestellt, aufgebaut und montags angefangen zu verkaufen.“ Wer Lust auf Zwiebelrostbraten mit selbstgedrückten Spätzle oder Serviettenknödel mit Rahm-Champignons hat, bestellt über die Website oder per Telefon. Abends können die eingeboxten warmen Essen im Kaufmannsladen abgeholt werden. Dort gibt es außerdem regionale Gerichte zum Selbst-Zu-Ende-Zubereiten oder „Vesper-Zubehör“ wie Maultaschen, Spätzle, Schinkenwurst- und Kartoffelsalat, Wurst und Käse aus der Region. Auch das Holzofenbrot, in „normalen“ Zeiten nur in der Krone aufgetischt, wird montags, am Backtag, verkauft. Die Stofftaschen aus der „Beschützer“-Aktion sind nun „Genussbeutel“: In sie kommt ein eigens kreiertes 3-Gänge-Menü sowie Weinflaschen hinein. Dazu gibt es Craftbiere, Hausweine sowie Weine von befreundeten Brauern und Winzern.

Markus und Pascal Fetzer von der Krone Alt-Hoheneck.

Markus (links) und Pascal Fetzer. Foto: Pascal Fetzer.

Mehr zum Thema

Was kann die Gastrobranche tun, um auch in der zweiten Coronawelle nicht unterzugehen und diesen Lockdown – und eventuelle weitere – zu überstehen?

Stark bleiben – auf ein Neues!

Die Fetzers bekommen ihr Geschäft unter den Coronaumständen erneut erfolgreich „gebacken“, auch wenn die Mitarbeiter in Kurzarbeit sind. „Die Kurzarbeit haben wir uns als Geschäftsführer auch verpasst“, sagt Markus Fetzer, der im selben Haus wohnt und damit nie so richtig „weg“ ist. „Wir geben unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Geschäft Freiräume und wir sind flexibel. Wir tun alles dafür, dass unser tolles, gut funktionierendes Team bleibt.“ Für eine gemeinsame Zukunft – mit Gästen, die auf „ihre“ Restaurants warten, „ihre“ Gastronomen bei besonderen Aktionen unterstützen und ihnen treu bleiben.


Zu Teil 1:
Mehr statt weniger wagen.

Aufmacherbild: Serhat Aktas / Der Weinlobbyist.

Weitere Artikel