„Die Gastronomie ist Partner und kein Gegner bei der Eindämmung der Pandemie“

Gastronomie prägt unsere Kultur. Von der Covid-19-Pandemie ist sie besonders betroffen. Wie können Betriebe dauerhaft überleben, Arbeitsplätze gesichert und Perspektiven geschaffen werden? Darüber spricht Olaf Koch, Vorsitzender des Vorstands (CEO) von METRO, im Interview mit MPULSE. Eines seiner Anliegen: die Förderung von Schutzmaßnahmen.

Take Away

Im April 2020 haben Sie gemeinsam mit vielen anderen Vertretern aus der Gastrobranche einen Brandbrief an die Bundeskanzlerin geschrieben, in dem Sie zum achtsamen Neustart der Gastrobetriebe aufgerufen haben. Daraufhin wurde der Lockdown im Mai aufgehoben. Im November dann der 2. Lockdown, wieder war die Gastronomie betroffen. Was bewirken diese Initiativen?

METRO steht in dieser schweren Zeit als Partner an der Seite unserer Kunden und der für diese Gesellschaft so wichtigen Selbstständigen in der Gastronomie. Ich möchte mir keine Gesellschaft vorstellen, in der die kleinen, sympathischen und häufig familiengeführten Restaurants unsere Städte und Gemeinden nicht mehr beleben. METRO hat sich dafür eingesetzt, die vielfältigen Stimmen der Gastronomie während des 1. Lockdowns zu verstärken, auch wenn wir als Unternehmen eher im Hintergrund geblieben sind. Wir haben alle gemeinsam dazu beitragen können, das Schicksal der selbstständigen Gastronomen ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Die zeitweise Reduzierung der Mehrwertsteuer von 7 % auf 5 %, die Finanzhilfen sowie die achtsame Wiedereröffnung der Gastronomie im Mai waren wichtige Ergebnisse unserer gemeinschaftlichen Arbeit. Wir können jetzt im 2. Lockdown auf dieses öffentliche Bewusstsein aufsetzen und erneut mahnen, dass die sichere Gastronomie in Deutschland eine Zukunft haben muss.

Olaf Koch

Olaf Koch, Vorsitzender des Vorstands von METRO.
Foto: METRO

Im Interview mit dem Handelsblatt im Oktober haben Sie gesagt: „Gastronomie ist der Partner, um sicher durch die Pandemie zu kommen, und nicht der Gegner.“ Was genau könnte die Gastrobranche tun, um das noch deutlicher zu beweisen?

Die Gastronomen haben nach der Wiedereröffnung im Mai mehrheitlich nicht nur alle Hygienestandards zum Schutz ihrer Kunden und Mitarbeiter umgesetzt, sondern viele haben darüber hinaus erhebliche Investitionen vorgenommen. So haben sie beispielsweise die Hygieneausstattung verbessert, Plexiglaslösungen zwischen den Tischen neu geschaffen und einzelne haben Luftfilter aufgestellt. In der Gastronomie war die Geselligkeit sicher, das suggerieren auch die Infektionsdaten, auch wenn die Datenbasis nicht vollumfassend ist. Trotz Unklarheit darüber, welche Rolle der Gastronomie im Infektionsgeschehen exakt zukommt, hat die Politik entschieden, die Restaurants zu schließen und andere Bereiche des Lebens offen zu halten. Wir finden das nicht schlüssig: Damit wurden Kontakte aus der Gastronomie, wo Sicherheitsmaßnahmen durchgesetzt werden können, in den nicht kontrollierbaren privaten Raum verlagert. Es sind hier viele Chancen verpasst worden. Wenn dann auch noch suggeriert wird, dass der Schulunterricht in Gaststätten verlagert werden sollte, da dort die Sicherheit besser gewährleistet werden kann, dann ist das zumindest inkonsistent. Wir sind weiterhin davon überzeugt: Ein professionell auf die Coronasituation ausgerichteter Gastronomiebetrieb ist der beste und sicherste Ort für Begegnungen, und diese Zusammenkünfte sind essenziell für eine funktionierende Gesellschaft. Deshalb wünschen wir uns, dass die Gastronomie bei der Eindämmung als Partner erkannt und eingebunden und nicht als Gegner stigmatisiert wird.

Die deutsche Bundesregierung hat Hilfspakete für Gastronomen und Soloselbstständige auf den Weg gebracht. Reicht das aus?

Das Hilfspaket, das die Bundesregierung für die selbstständigen Gastronomen geschnürt hat, ist gut gedacht, muss aber in jedem Fall auch unbürokratisch bei den Selbstständigen ankommen. Es hilft annähernd über die Novembereinbußen hinweg, allerdings muss Klarheit darüber bestehen, dass die Restaurants, Wirtshäuser und Cafés mit durchdachten Hygienekonzepten auch zügig wieder öffnen können. Denn zum einen ist das Weihnachtsessen in der gesetzten Gastronomie sicherer als mit mehreren Haushalten im eigenen Wohnzimmer. Zum anderen aber können die 220.000 Gastronomiebetriebe dauerhaft nur überleben und die Arbeitsplätze sichern, wenn sie auch wieder Umsätze machen können – anstatt nur Förderanträge zu schreiben.

Gastronomiebetriebe können dauerhaft nur überleben, wenn sie wieder Umsätze machen können – anstatt nur Förderanträge zu schreiben.

Olaf Koch

Was können Gastronomie und Politik noch tun, damit eine dauerhafte Öffnung der Gastronomie möglich wird, selbst wenn das Virus uns noch länger im Griff hat?

Die Politik muss sich fragen, wie sinnvoll und realistisch es ist, immer neue Milliardenbeträge in geschlossene Geschäfte zu schleusen. Das wird auf Dauer nicht funktionieren. Zudem zeigen Umfragen auch, dass die Bevölkerung die Schließung der Gastronomie nicht mehrheitlich mitträgt. Es gibt bessere Lösungen. Eine aktuelle Studie der Universität der Bundeswehr in München hat die maßgebliche Schutzwirkung von Luftfiltern in Kombination mit Plexiglasscheiben in Restaurants, Büros und Klassenzimmern untersucht und nachgewiesen, dass das Risiko der direkten und indirekten Infektion massiv gesenkt werden kann. Die Studie kritisiert zu Recht, dass diese Instrumente derzeit finanziell vernachlässigt werden. Ebenso schwer wiegt die mangelnde Kommunikation seitens der Politik zur Wirksamkeit dieser Geräte, es fehlen positive Botschaften, die die Bereitschaft signalisieren, die Investitionen zu erhöhen. Ich vertrete deshalb die Auffassung, dass der Staat – statt die Schließung der Gastronomie finanziell zu kompensieren – lieber die Gastronomen mit Finanzmitteln befähigen sollte, ihre Restaurants für Kunden und Mitarbeiter nachweislich und dauerhaft sicher zu machen und zu modernisieren. Das hilft der Branche, zu überleben, es schafft Vertrauen und es schützt zugleich unsere Gesellschaft vor Infektionen. Dieser Vorschlag zeigt damit eine wichtige Alternative zur Politik der Schließung auf. Konkret formuliert: Luftfilter, Plexiglasscheiben und die Digitalisierung in der Gastronomie sollten staatlich gefördert werden.

Wie kann der Gastronomie jetzt unmittelbar geholfen werden, solange der Lockdown weiter besteht? Welche Chancen bietet die Digitalisierung?

Wir haben in vielen Bereichen während der Coronapandemie festgestellt, dass diese Phase wie eine Art Beschleuniger für die Digitalisierung von Prozessen ist. Wo physische Distanz gewahrt werden muss, helfen digitale Anwendungen, den Kundenkontakt zu halten. Gastronomen haben jetzt eine größere Offenheit, sich mit dem Einsatz digitaler Instrumente für mehr Effizienz und Beschleunigung ihrer Gastrobetriebe zu befassen. Ein Restaurant kann derzeit lediglich per Abhol- und Lieferservice Umsätze generieren. Wer sich dabei auf etablierte Lieferplattformen beschränken muss, weil er keine Order-Anwendung auf seiner Website implementiert hat, muss dafür hohe Margenanteile abgeben. Die Gebühren für die Nutzung der Lieferplattformen liegen je nach Fall zwischen 15 % und 40 % des jeweiligen Umsatzes. METRO arbeitet gemeinsam mit Gastronomen in Frankreich und Deutschland an Lösungen, die sie stärker unabhängig machen von den Lieferplattformen. Wir arbeiten dabei mit unterschiedlichen Plattformen zusammen und ermöglichen den Gastronomen damit eine erhebliche Reichweite, ohne dass sie hohe Gebühren zahlen müssen. Das Beispiel zeigt, wie wertvoll die Digitalisierung für die Gastronomie heute und in der Zukunft sein kann.

Entscheidend ist die Fähigkeit, sich schnell auf die neue Lage einstellen zu können.

Olaf Koch
Die Wirtschaftsauskunftei CRIF Bürgel warnt, dass im 1. Quartal 2021 jeder 5. Gastronomiebetrieb in Deutschland insolvenzgefährdet sein könnte – was würde das für Zulieferer der Branche bedeuten?

METRO ist gut aufgestellt und bislang robust durch die Coronapandemie gekommen. Das liegt maßgeblich an unseren diversifizierten Kundengruppen und auch an unserer Flexibilität im Geschäftsmodell mit Märkten, Belieferung und Online-Angebot. Aber machen wir uns nichts vor, natürlich geht die 2. Welle auch an der Zuliefererbranche nicht ohne Wirkung vorbei. Schon heute ist die Branche stark fragmentiert. Entscheidend ist das Finanzpolster der Marktteilnehmer sowie ihre Fähigkeit, sich schnell auf die neue Lage einstellen zu können. Uns ist das bislang mit unseren Angeboten für die Gastronomen sehr gut gelungen, sei es mit einem Callcenter-Service zur Finanzierung oder zur Nutzung staatlicher Unterstützungsleistungen, sei es mit den digitalen Anwendungen, die wir anbieten, um ein Liefergeschäft schnell aufzubauen oder digitale Registrierung im Restaurant zu ermöglichen. Darüber hinaus haben wir durch die TransAaktionen bezüglich China und Real unsere Bilanz erheblich stärken können.

Wie sehen Sie die Zukunft der Gastrobranche, die auch schon vor Corona mit schwierigen Marktbedingungen zu kämpfen hatte?

Wir glauben an die Zukunft der Gastronomie. Studien erkennen einen längerfristigen Trend zum Außer-Haus-Verzehr von Lebensmitteln und dieser Trend hält an. Die Gastronomie als Ort der Begegnung wird weiter an Stellenwert gewinnen, davon bin ich absolut überzeugt. Tatsächlich steht die Branche aber auch vor Herausforderungen. Unter anderem der Fachkräftemangel, der Wettbewerbsdruck, aber auch die steigenden Kosten verlangen Antworten. Wir verstehen uns dabei immer mehr als vollumfänglicher Partner, der den Unternehmern nicht nur Waren verkauft, sondern sie auch mit Lösungen, Dienstleistungen und Beratung unterstützt. Nehmen wir den Aspekt der Digitalisierung: Die Wahrheit ist, ein Restaurant, das heute nicht online zu finden ist, existiert für die jüngeren Generationen nicht mehr. Also sorgen wir mit unseren über 200.000 kostenfreien Websites dafür, dass die Gastronomiebetriebe gesehen werden. Ergänzt wird die Website durch unser Tisch-Reservierungstool, das mittlerweile rund 35.000 Gastronomiebetriebe nutzen. Und zur Sicherstellung der Nachverfolgbarkeit bieten wir eine digitale Registrierung der Gäste per QR-Code an. Mit weiteren digitalen Tools wie dem MenuKit ermöglichen wir es den Gastronomen, Einkauf und Menügestaltung kostendeckend und mit guter Marge zu planen. Es gibt viele weitere Beispiele für einen effizienten Einsatz digitaler Anwendungen in der Gastronomie, um ihre Zukunftsfähigkeit weiter zu verbessern.

Im Interview mit der Lebensmittel Zeitung diesen Oktober haben Sie gesagt, METRO kann aus den Rückmeldungen der Kunden lesen, dass sie seit Beginn der Pandemie mehr Vertrauen in METRO haben. Mit welchen Frage- und Problemstellungen wenden sich Gastronomen aktuell an Sie?

In der Tat haben wir während der Coronapandemie nicht nur ehemalige Kunden zurückgewonnen, sondern tatsächlich auch neue Kunden gewinnen können. Das macht deutlich, dass METRO Marktanteile gewinnt, weil wir nicht nur in der Lage sind, für unsere Kunden ein weiterhin verlässliches und hochqualitatives Produktangebot zu machen, sondern auch auf die besonderen Anforderungen in dieser Zeit eingehen können. Ich will ein Beispiel nennen: Gastronomen, die derzeit nur noch ein Liefergeschäft anbieten können, fahren auch im Einkauf stärker auf Sicht. Das hat dazu geführt, dass wir die Packungsgrößen angepasst haben auf kleinere Mengen. Unsere Kunden kommen und kaufen deswegen nicht weniger, sondern sie kommen häufiger, um jeweils flexibel auf die Bedarfe in ihren Betrieben reagieren zu können. Hier zeigt sich auch der große Vorteil eines stationären Geschäfts. Großhändler, die ausschließlich auf Belieferung setzen, haben weitaus größere Schwierigkeiten, die Umsätze zu halten.
Restaurant Szene

In der Coronapandemie hat sich gezeigt: Die Gastrobranche ist alles andere als krisensicher. Warum sind Sie dennoch überzeugt davon, dass METRO mit dem Fokus auf Gastronomie den richtigen Weg eingeschlagen hat und diesen auch in Zukunft gehen sollte?

Die Gastronomie ist weltweit auf dem Vormarsch und bietet erhebliche Wachstumspotenziale, von denen auch wir bei METRO profitieren werden. Der Bedarf der unabhängigen Gastronomen an hochwertigen Produkten, innovativen Lösungen und einem zuverlässigen Service ist in allen Märkten sehr hoch. Corona mag den gastronomischen Sektor jetzt für einige Zeit etwas ausbremsen, aber mittel- und langfristig werden wir lernen, mit dem Virus zu leben, und die Menschen werden ihre Freude am Besuch der Gastronomie wiederentdecken. Gastronomen, aber auch die unabhängigen Händler sind im Vergleich zu Einzelhandelskunden sehr viel treuer, ihr Einkaufsvolumen liegt in etwa beim 10-Fachen des Einzelhandelskunden und wir sind in der Lage, zu unseren Kunden eine enge Beziehung aufzubauen. Das ermöglicht es uns, den Bedürfnissen der Kunden entsprechend unser Leistungsangebot immer weiter auszubauen bis hin zu professionellem Küchenequipment oder aber Finanzdienstleistungen, die METRO vermittelt. Insofern ist und bleibt die Fokussierung des Großhändlers METRO auf HoReCa- und Trader-Kunden auch strategisch die richtige Entscheidung.

Sie verlassen METRO zum Jahresende – das ist nicht mehr lange hin. Dennoch setzen Sie sich auch weiterhin für die Gastronomie ein und haben auch den jüngsten Brandbrief an die Kanzlerin unterschrieben. Wieso liegt Ihnen das Thema so am Herzen?

Die Kunden von METRO sind mir während der Jahre wirklich ans Herz gewachsen. Sie stehen für Genuss, Gastfreundschaft und kulturelle Vielfalt, aber auch für leidenschaftliches Unternehmertum. Diese Leidenschaft, mit der sie auftreten und ihre Kunden begeistern, steckt tatsächlich an und hat jede Unterstützung verdient. Ich bin sicher, dass ich auch nach meinem Ausscheiden bei METRO diese Unternehmer nicht aus dem Blick verlieren werde.

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