Personal gesucht – wie die Gastronomie mit den Folgen der Pandemie kämpft

Wer in der Gastronomie arbeitet, hat oft die besten Geschichten auf Lager, lernt viele Menschen kennen und bereist manchmal sogar für den Job die Welt – eigentlich spannend. Dennoch sieht die Personalsituation in der Branche nicht gerade rosig aus. Corona hat die Lage noch verschärft.

Aushilfe gesucht

Der Restart ist gerade allerorts in vollem Gange – für viele jedoch weiterhin mit angezogener Handbremse. Wie eine aktuelle Umfrage des DEHOGA Bundesverbands in Deutschland ergibt, können fast 30 % der 5.640 befragten Betriebe derzeit noch nicht öffnen. Der Grund: die fehlende Belegschaft.

Vor der Pandemie war die Gastronomiebrache ein wichtiger Wirtschaftstreiber und auch Arbeitgeber. 65,1 Mrd. Euro – so viel Umsatz hat alleine die Gastronomie in Deutschland 2018 erwirtschaftet. 1,8 Mio. Menschen waren im selben Jahr in der Branche beschäftigt. Die starken Umsatzrückgänge durch Corona führten nun auch zu einem Rückgang der Beschäftigtenzahlen. Gastronomen mussten Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken oder ganz entlassen; viele waren gezwungen, sich selbst beruflich um- oder neu zu orientieren, um wirtschaftlich zu überleben. Alles Gründe dafür, warum es für viele nun zum Neustart eher holprig losgeht, wie auch das Ergebnis der Anfang Juni veröffentlichten DEHOGA-Umfrage belegt.

„Die Personalsituation ist dabei in allen Zweigen der Branche gleich kritisch“, sagt Götz Braake, Leiter Gastro Consulting bei METRO Deutschland, mit Blick auf die vergangenen Monate. Durch die Pandemie habe es aber vor allem Caterer hart getroffen, da sie besonders mit Saisonkräften und Minijobbern arbeiten. „Für Minijobber gibt es kein Kurzarbeitergeld, so dass sich diese naturgemäß nach anderen Einkommensquellen umgeschaut haben“, erklärt er. Diese Kräfte sind jetzt also schlicht weg. Auch lange vor dem ersten Lockdown war die Personallage bereits schwierig; eigentlich fehlt es seit geraumer Zeit an Fachkräften. Das hängt auch mit der Realität der Branche zusammen: teils unterdurchschnittliche Bezahlung, unattraktive Arbeitszeiten und körperliche Anstrengungen schrecken etliche Bewerber ab.


Corona & Gastronomie: Weltweit fallen Arbeitsplätze weg

Wie viele Menschen seit Pandemiebeginn – freiwillig oder unfreiwillig – weltweit den Rückzug aus der Gastronomie angetreten haben, zeigen drastische Zahlen aus Europa und Übersee. In den USA etwa haben die mit der Pandemie verbundenen Schließungen im Frühjahr 2020 die Restaurant-Industrie beachtliche 5,9 Mio. Arbeitsplätze gekostet. Die Beschäftigtenzahlen sind damit innerhalb von 6 Wochen auf das Niveau der 1980er Jahre gefallen. Auch in Europa ist die Anzahl der bedrohten Jobs aus der Gastro- und Tourismusbranche seit Pandemiebeginn hoch. In Spanien beispielsweise stellten etliche Arbeitgeber aufgrund der Krise ihre Tätigkeiten vorübergehend ein: 75 % haben Kurzarbeit, 8,61 % staatliche Unterstützung und 3,88 % Frührente für vereinzelte Mitarbeiter beantragt. In Polen verloren seit Pandemiebeginn Statistiken zufolge 5.300 Menschen ihren Arbeitsplatz. In Norwegen waren es rund 5,8 % der Beschäftigten im Service-Sektor.

In Deutschland sind die Zahlen aufgrund harter Lockdowns für die Gastronomie vergleichsweise hoch. Besonders im Bereich Getränkeausschank war der Rückgang der Beschäftigten in Deutschland mit fast 40 % signifikant. Hotels, Gasthöfe und Pensionen verzeichneten im selben Zeitraum von März 2020 bis Januar 2021 einen Personalabbau von 17,8 %. Insgesamt schrumpften die Beschäftigungszahlen im Gastgewerbe um knapp 20 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Götz Braake
Götz Braake, Leiter Gastro Consulting bei METRO Deutschland

Trotz Corona: Nachwuchs dringend gesucht!

Für einige Restaurantbetreiber blieb eine spontane Umschulung zuletzt die einzige Lösung, um während des Lockdowns den Laden irgendwie am Laufen zu halten. So hieß es für viele von heute auf morgen: vom Küchenchef zum Coronatester. Restaurants wurden zu Walk-Ins für Schnelltests. Das funktioniert aber natürlich nur vereinzelt und ist keine Dauerlösung. Braake: „Die Coronakrise mit ihren unmittelbaren Auswirkungen auf die gastronomischen Betriebe hat dazu geführt, dass sich der bereits bestehende Fachkräftemangel weiter verschärft hat. Viele Mitarbeiter sind in andere Branchen abgewandert und eine Wiederkehr ist eher ungewiss.“

Schon vor der Pandemie beklagte die Branche einen Fachkräftemangel. Das ergab die DEHOGA Konjunkturumfrage aus Herbst 2019, in welcher der Verband unter anderem beschreibt, dass für rund 67 % der Betriebe die Gewinnung qualifizierten Personals das größte Problem darstellt. Das bestätigt auch der langjährige Sterne- und TV-Koch Peter Scharff. Der seit 2007 selbstständige Unternehmer betreibt eine Kochschule und Eventlocation, bietet bundesweites Catering und Beratung an. Scharff spricht aus eigener Erfahrung: „Die Gastrobranche ist knallhart – nicht erst seit Corona. Sie ist arbeitsintensiv bei oft unattraktiver Bezahlung und daher vor allem für junge Menschen nicht aussichtsreich genug.“ Viele Auszubildende seien den Arbeitszeiten und -systemen auf Dauer nicht gewachsen und suchten früher oder später nach einer Alternative. „Allerdings brauchen wir, braucht die Branche, dringend Gastro-Nachwuchs. Kreative Leute, die Spaß daran haben, die Gastronomie von morgen mitzugestalten“, appelliert Scharff.

Denn es gibt sie: die, die weitermachen. Auch wenn eine DEHOGA-Umfrage von März 2021 mit 6.5000 Teilnehmern ergeben hat, dass 25 % der befragten Gastronomen in Erwägung ziehen, ihren Betrieb aufzugeben – bei vielen bleiben Hoffnung und Wille, den Betreib fortzuführen. Nur braucht es dafür eben Personal. Zudem steige die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen und nachhaltig produzierten Gastro-Angeboten, berichtet Braake: „Insgesamt findet also dennoch eine positive Entwicklung statt. Denn die Kunden konsumieren bewusster und sind bereit, dafür einen angemessenen Preis zu bezahlen. Das fängt beim Snack für zwischendurch an und reicht bis hin zum hochwertigen Bankett.“ Es ist also, vor allem in Punkto Nachhaltigkeit, viel Raum für die Gestaltung der Gastronomie von morgen da – nun braucht es noch die Leute, die sie gerade jetzt zum Restart wiederbeleben und kreativ mitgestalten.

Zeit für Veränderung – aber wie?

Die Lösung heißt: attraktive berufliche Perspektiven bieten, meint Küchenchef Scharff. Mentorship sei hier das Stichwort, sagt er: Wer ausbildet, sollte sich seiner Rolle als Vorbild und der damit verbundenen Verantwortung bewusst sein. „Um den Nachwuchs zu halten, muss man die jungen Leute an die Hand nehmen und bereit sein, Zeit und Geld zu investieren, Visionen zu teilen, aber auch kreativen Freiraum zu lassen.“ Es brauche mehr als nur klassisches Anlernen, findet auch Berater Braake. „Als Arbeitgeber muss ich mir Gedanken darüber machen, wie ich die Bedürfnisse meiner Mitarbeiter bestmöglich befriedigen kann. Dazu sollte ich die Prozesse im Unternehmen hinterfragen und meine Mitarbeiter bei der Lösungsfindung mit einbeziehen.“ Um mittelfristig die Branche wieder attraktiv zu machen, bedürfe es „einer gemeinsamen Anstrengung von Politik und Arbeitgebern hinsichtlich höherer Löhne, Optimierung der Ausbildung und Darstellung beruflicher Perspektiven“, meint Braake. Für die Generation Y sei die Vereinbarkeit von Privatleben und beruflicher Weiterentwicklung schließlich sehr wichtig. „Hier kann unsere Branche durch flexible Arbeitszeitmodelle punkten.“ Zudem sollten sich Gastronomiebetreibende positionieren – und darüber klar werden, wie sie als Arbeitgeber wahrgenommen werden möchten.

Peter Scharff

Peter Scharff, langjähriger Sterne- und TV-Koch

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