Naturwein: Jedes Glas ein kleines Genuss-Abenteuer

Naturwein liegt im Trend – und polarisiert: Die einen rümpfen die Nase über das Enfant Terrible der Weinkultur, die anderen schwärmen, dass jedes Glas neue Geschmackswelten eröffnet. Der Sommelier der Düsseldorfer „Rheinton Weinbar“ berichtet über seine Erfahrungen.

Dunkle Weintrauben an der Rebe
Rotwein wird aus der Flasche in zwei Weingläser gegossen

Worum geht's?

  • Was ist Naturwein?
  • Naturwein vs. Bio-Wein
  • Herstellung, Geschmack, Marktanteil von Naturwein
  • Was sagt der Sommelier?
Weinberg bei Sonnenuntergang

Das „erste Date“ mit einem Naturwein kann außergewöhnliche Geschmackserlebnisse bieten. „Ich versuche, meine Gäste ein bisschen an die Hand zu nehmen und vorzubereiten“ erzählt Binali Ithiyar, Chef und Sommelier der Rheinton Weinbar in Düsseldorf, die seit etwa fünf Jahren einige Naturweine auf der Karte hat. „Ich betone beispielsweise, dass der Wein Ecken und Kanten hat und nenne Details aus dem Herstellungsprozess.“

Das Grundprinzip der Naturwein-Produktion lautet: maximal naturnah. Die Winzer bewirtschaften den Weinberg nach ökologischen Prinzipien und greifen im Weinkeller so wenig wie möglich in die natürlichen Prozesse ein. Deshalb spricht man auch von „Low-Intervention-Wein“. Die Winzer verzichten auf Reinzuchthefen und setzen auf spontane Gärung. Zusatzstoffe wie Sulfite zur Konservierung – umgangssprachlich Schwefel genannt – kommen nur in geringen Mengen zum Einsatz oder entfallen völlig. Genauso wie das Filtern. Deshalb weisen viele Naturweine eine Trübung auf. Jenseits solcher Grundprinzipien existieren bisher keine gesetzlichen Standards.

Naturwein oder Bio-Wein:  Was ist der Unterschied?

Bioweine tragen ein Bio-Siegel, müssen also gesetzlich definierte Standards einhalten, beispielsweise den Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel. Für Naturweine gibt es dagegen keine gesetzlichen Vorgaben, im EU-Recht ist die Bezeichnung „Naturwein“ bisher nicht geregelt. In Frankreich haben Öko-Winzer und Behörden im Jahr 2020 einen Vorstoß gewagt und Richtlinien entwickelt. Dort gibt es seitdem das Label „vin méthode nature“, sinngemäß für „Weine auf Basis natürlicher Methoden“. Die Kriterien reichen vom biologisch-organischen Anbau der Trauben bis zum Verzicht von Techniken wie Filtern, Kurzzeiterhitzen und Zentrifugieren. Kurzum: Für Naturweine sind ökologische Regeln essenziell, aber nicht jeder Naturwein ist mit einem Bio-Siegel zertifiziert. Hinzu kommt, dass die Prinzipien der Produktion von Naturwein über Bio-Standards hinausgehen.

Jede Flasche Naturwein trägt ihre eigene Handschrift

„Meine Gäste teilen sich in zwei Lager“, berichtet Binali. „Die einen sagen: super, sehr spannend, mal einen Wein zu verkosten, der nicht unbedingt die Standard-Aromen mitbringt. Die anderen können mit Naturweinen nichts anfangen, weil sie nicht ihr Geschmacksbild treffen.“ Typisch für Naturweine sind zum Beispiel ungewöhnliche Noten im Bukett, ausgeprägte Gäraromen und ein eher erdiger oder herber Gesamtauftritt.
„Aber Naturwein ist nicht gleich Naturwein“, sagt der Sommelier. Wilde Charaktere sind genauso zu finden wie elegante Vertreter ihrer Zunft – die Bandbreite ist groß, jedes Glas ist ein kleines Abenteuer. „Es ist immer die Frage: Wo will der Winzer hin, was ist seine Philosophie, seine Ausbauweise“, sagt Binali. „Viele Naturweine sind sehr dicht an der Traube dran, ich mag es gerne, wenn ich beim Trinken ahnen kann, welche Rebsorte am Stock war.“

Gelingt der Weg hinaus aus der Nische?

Zwar ist Naturwein weltweit gefragt, wie etwa die Messe „Raw Wine“ zeigt, die von Berlin bis New York Zulauf findet. Aber bisher bleibt es ein Nischenprodukt. Offizielle Zahlen gibt es nicht, aber eine Studie der Hochschule Geisenheim schätzt, dass die Naturwein-Produktion in Deutschland im Jahr 2021 bei etwa 2,5 Millionen Liter lag, das entspricht rund 0,3 % der deutschen Weinherstellung. Doch die Naturwein-Anbieter sind optimistisch: Laut Studie prophezeien 86 % der befragten Weingüter, dass die Produktionsmengen wachsen werden.

„Das Thema wird bleiben“, meint auch Binali. „Ich denke, dass Winzer, die naturnah arbeiten, optimale Voraussetzungen mitbringen, einen guten Wein auf die Flasche zu bringen.“ Letztlich sieht er es pragmatisch: „Ob Naturwein oder nicht – jeder Wein hat seine Berechtigung. Für mich ist entscheidend, dass ein Wein handwerklich gut gemacht ist und dass Menschen mit Leidenschaft hinter dem Produkt stehen.“

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